Eine unbeliebte Frau
sie. »Fast alle Einsteller haben ihre Pferde von ihm gekauft. Ich würde das allerdings nie machen.«
»So, so«, machte Bodenstein, »und warum nicht?«
»Weil ich keine Lust hätte, mich von ihm betrügen zu lassen«, sagte Thordis freimütig. »Man darf es hier natürlich nicht laut sagen – das wäre Majestätsbeleidigung -, aber ich bin der festen Überzeugung, dass die Pferde, die er besorgt, alle irgendein Problem haben, das er vertuscht.«
»Ein Problem?«, fragte Bodenstein nach.
»Ja«, sie nickte, »entweder sind sie krank oder über die Uhr.«
Das war genau der Ausdruck, den Kampmann Isabel Kerstner gegenüber auch benutzt hatte.
»Über die Uhr«, sagte Bodenstein, »das bedeutet, sie sind turniersauer.«
»Genau.«
Hinter der Reithalle wurde nach Thordis gerufen.
»Ich glaube, mein Steak ist fertig«, stellte sie fest. »Kommen Sie mit? Ein Steak werden Sie wohl essen dürfen, ohne dass man es Ihnen als Bestechung auslegen wird, oder nicht?«
»Ein anderes Mal gerne«, Bodenstein widerstand der Versuchung und lächelte. »Danke für die Auskünfte.«
Das Handy auf Bodensteins Nachttisch piepte durchdringend. Schlaftrunken tastete er nach Lichtschalter und Telefon und warf einen Blick auf die Uhr. Das konnte nur Cosima sein.
»Ja?«, murmelte er. Es war nicht Cosima, sondern Pia Kirchhoff.
»Habe ich Sie geweckt?«, fragte sie.
»Ja«, Bodenstein schloss wieder die Augen und ließ sich zurücksinken. »Es ist halb drei morgens.«
»Oh, tatsächlich«, Pia klang vollkommen hellwach und ziemlich aufgeregt. »Hören Sie, Chef, ich weiß jetzt, wer die Frau auf diesen Schwarzweißbildern mit Hardenbach ist. Es ist Marianne Jagoda.«
Bodenstein öffnete die Augen und blinzelte ins Licht.
»So etwas fällt Ihnen um halb drei morgens ein?«
»Marianne Jagoda hat sich am 19. April 1997 mit Staatsanwalt Hardenbach getroffen«, fuhr Pia fort. »Am 4. April -also fünfzehn Tage zuvor – sind ihre Eltern bei einem Brand in ihrer Villa in Frankfurt umgekommen. Bei der Untersuchung durch Spezialisten des LKA kam heraus, dass es sich um Brandstiftung handeln könnte. Deshalb wurde die Angelegenheit an die Frankfurter Staatsanwaltschaft übergeben.«
Bodenstein war jetzt mindestens genauso hellwach wie seine Kollegin.
»Dreimal dürfen Sie raten, wer damals der zuständige Staatsanwalt war.«
»Hardenbach?«, vermutete Bodenstein.
»Genau«, Pia klang sehr zufrieden, »es gab keine weiteren Ermittlungen. Fall abgeschlossen. Ein Jahr später kaufte Staatsanwalt Hardenbach ein schönes Häuschen in Hochheim.«
»Was wollen Sie damit andeuten?«
»Marianne Jagoda hat Hardenbach bestochen.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Als Marianne Jagoda heiratete«, sagte Pia, »kam es zu einem Familienkrach, denn Papa Drescher hielt von seinem Schwiegersohn überhaupt nichts. Jahrelang hatten Marianne Jagoda und ihre Eltern keinen Kontakt miteinander. Anfang 1997 gingen Hans Peter Jagodas Pläne für seinen Börsengang in die heiße Phase – alles, was ihm noch fehlte, war das notwendige Startkapital. Und dann – wie praktisch – starben Mariannes Eltern, und sie wurde schlagartig millionenschwer.«
Bodenstein brauchte ein paar Sekunden, um die Informationen zu verarbeiten.
»Woher wissen Sie das alles?«, fragte er.
»Nächtliche Intensiv-Recherche«, erwiderte Pia bescheiden, »und gute Beziehungen zu einer intimen Kennerin der feinen Frankfurter Gesellschaft. Dreschers waren großzügige Gastgeber und Kunstmäzene. Eigentlich sollte das Familienvermögen in Kunststiftungen angelegt werden, aber bevor Drescher das veranlassen konnte, segnete er das Zeitliche.«
Bodenstein dachte einen Moment über das Gehörte nach.
»Sie können das alles nicht beweisen«, gab Bodenstein zu bedenken, »es können Zufälle gewesen sein.«
»Außer mir hatte schon jemand anders diesen Verdacht«, sagte Pia. »Auf der Rückseite der Fotos befindet sich derStempel einer Detektei Stein, die leider nicht mehr existiert, da Herr Stein im Mai 1997 einen tödlichen Verkehrsunfall erlitt. Das kann natürlich tatsächlich ein Zufall sein.«
»Wo sind Sie gerade?«, fragte Bodenstein.
»Im Büro.«
»Ich bin in zwanzig Minuten da.«
Samstag, 3. September 2005
Bodenstein staunte nicht schlecht, als er Pia an ihrem Schreibtisch erblickte, umgeben von einem Chaos an Papieren, Computerausdrucken und Akten. Die Luft war vom Qualm unzähliger Zigaretten zum Schneiden dick.
»Warum schlafen Sie nachts nicht?«,
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