Eine undankbare Frau
den schwarzweißen Pony aus der Stirn. Skarre zog eine Visitenkarte hervor und legte sie auf das Band.
»Sprechen Sie bitte mit Ihren Kolleginnen«, sagte er. »Fragen Sie sie, ob die sich erinnern können, ob hier jemand vor kurzem Rinderblut gekauft hat. Und wenn ja, dann rufen Sie mich bitte umgehend an.«
Sie nickte eifrig. Sie nahm die Karte, hielt sie für einen Moment in der Hand und steckte sie dann in die Tasche ihres grünen Kittels. Dann scannte sie ihren Einkauf: ein Wasser, eine Cola und zwei Zeitungen.
»Merken Sie sich, was die Leute so kaufen?«, fragte Skarre.
Sie neigte den Kopf zur Seite, machte einen Schmollmund und zierte sich ein wenig.
»Das kommt vor. Wir kennen die Leute doch. Wir wissen, was die essen und so.«
»Geben Sie mir mal ein Beispiel«, bat Skarre. »Was Ihnen so aufgefallen ist.«
Es fiel ihr offenbar schwer, ihre voyeuristische Ader zuzugeben. Deshalb zögerte sie. Kämpfte mit sich und der Angst um ihren guten Ruf, warf Skarre forschende Blicke zu.
»Wenn die Leute Lungenhaschee kaufen, dann fällt mir das auf«, sagte sie schließlich. »Ich begreife nicht, wie jemand Lunge essen kann. Das sieht so grau und widerlich aus. Wie ein Schwamm. In solchen Fällen sehe ich ein wenig genauer hin.«
»Ich kann das auch nicht verstehen«, stimmte ihr Skarre zu. »Wer kauft denn Lungenhaschee?«
»Alte Leute«, sagte sie. »Und ich weiß auch, wer säuft. Wer herkommt und Bier kauft. Und ich weiß, wer viel mit Mädchen rummacht.«
Sie zeigte auf einen Aufsteller an der Kasse, an der Kondome hingen. Mit Noppen und Farben und Geschmack.
»Und eine Frau kauft jede Woche Paracetamol. Also hat sie wahrscheinlich oft Schmerzen. Ihre Hände zittern sehr. Sowas fällt mir auf. Und wenn jemand Blut gekauft hätte, dann würde ich mich daran erinnern. Ich wusste aber gar nicht, dass wir so was verkaufen. Meine Güte. Das ist ja mehr als ein Liter!«
Plötzlich begriff sie den Zusammenhang mit dem Baby in Bjerketun und sie sah die beiden Polizisten verängstigt an. Skarre steckte seine Einkäufe in eine Tür und warf einen Blick auf ihr Namensschild.
»Dann rufen Sie mich also an, Britt?«, sagte er lächelnd.
Sie holte seine Karte wieder aus ihrer Kitteltasche und sah sie sich genauer an.
»Ja, Jacob«, sagte sie und lächelte. »Ich rufe an.«
Auf dem Heimweg hielt Sejer vor dem Haus seiner Tochter.
Er stellte den Rover am Straßenrand ab und auf dem Weg zur Treppe drehte er sich noch einmal um und kontrollierte, wie er eingeparkt hatte, sah, dass alles tadellos war, und drückte auf die Klingel.
Ingrid streichelte seine Wange und zog ihn ins Haus. Kaum saß er im Sessel, baute sie sich mit verschränkten Armen vor ihm auf.
»Weiß du, was passiert ist?«, fragte sie dramatisch. »Matteus hat sich einen Muskel im Oberschenkel gezerrt.«
»Was sagst du da?«, fragte Sejer erschrocken. »Ist es etwas Ernstes? Wann ist das passiert? Ist er gestürzt?«
»Gestern«, sagte sie. »Beim Training. Du weißt schon, beim Spagat«, sie verdrehte die Augen.
»Aber wo ist er jetzt?«
»Er ist bei der Massage. Ich bin mit meinen Nerven am Ende. Immer ist irgendetwas mit seinem Körper. Aber so ist das beim Ballett. Erik sagt ganz offen, dass das ungesund ist.«
Ihr Mann Erik war Arzt und kannte sich mit solchen Dingen aus.
Sie setzte sich ihm gegenüber und legte die Hände auf den Tisch. Sejer legte seine darüber wie einen Deckel. Als sie klein war, hatten sie oft gespielt, ihre Hände seien kleine Vögel, die er einsperrte, damit sie nicht wegfliegen könnten. Dann ließ er sie doch entkommen und Ingrid hatte vor Freude gejohlt, wenn er versuchte, sie wieder einzufangen. Vielleicht musste sie in diesem Augenblick auch daran denken, denn sie lächelte ihn an. Dann wurde sie wieder ernst.
»Alles dreht sich um seinen Körper«, sagte sie. »Wie er funktioniert. Seine Leistungsfähigkeit, seine Muskeln, seine Geschmeidigkeit und Kraft. Und seine Schwächen. Es ist eine ewige Qual.«
Er spürte, wie ihre Finger sich unter seinen Handflächen bewegten, während sie redete. Es kitzelte.
»Und dann braucht er so viel Zusätzliches, um in Spitzenform zu kommen«, sagte sie. »Vitamine und Mineralien. Und es gibt so viele Sachen, die er nicht essen darf. Oder trinken. Oder tun. So vieles, worauf er verzichten muss.«
Sejer drückte ihre Hände.
»Er zieht dich nur auf, Ingrid. Du weißt doch, wie er ist. Wir waren kürzlich hier im Imbiss. Und da hat er einen riesigen Cheeseburger
Weitere Kostenlose Bücher