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Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)

Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)

Titel: Eine unerwartete Erbschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen McQuestion
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Rundbürste und zog ein rotes Trägerkleid an, das ich bisher erst einmal zu einer Hochzeit getragen hatte. Mein Onkel hatte es mit dem Kleid verglichen, das Marilyn Monroe auf dem U-Bahn-Lüftungsschacht um die Ohren geweht war, und er hatte gar nicht so unrecht gehabt, auch wenn die Farbe anders und ich keine Marilyn Monroe war. Trotzdem war es ein tolles Kleid – aus Seide oder zumindest etwas, das wie Seide aussah. Man musste es reinigen lassen, so dass jedes Tragen eine Investition von sieben Dollar bedeutete. Der Ausschnitt war ziemlich tief, aber zum Glück hatte das Kleid eingenähte BH-Schalen. Ich legte eine Goldkette an, um von meinen Brüsten abzulenken, und zog das passende Bolero-Jäckchen an, das den Look von nuttenhaft in sexy verwandelte.
    Zum Ensemble gehörte eine Clutch, was mir nicht so behagte. Eine normale Handtasche mit Riemen fand ich bequemer, weil man sie über die Schulter oder locker um die Hand schlingen konnte, aber eine trägerlose Clutch musste man festhalten, wodurch die Hand leicht wie eine Kralle wirkte. Aber die Clutch passte nun mal dazu, was sollte ich also machen? Ich steckte Portemonnaie, Handy, Sonnenbrille und Lipgloss ein und ließ die Tasche zuschnappen. Männer hatten Glück – denen reichten ihre Jackett- und Hosentaschen aus.
    Als es Zeit wurde zu gehen, schlich ich die Treppe hinunter, rief laut »Tschüs Hubert!« und schlüpfte zur Hintertür hinaus. Ich mochte Hubert wirklich gern, aber ich hatte keine
Lust mehr auf weitere überflüssige Ratschläge, die Ryan betrafen. Ich war ein großes Mädchen und konnte Menschen gut einschätzen. Seine Sorge rührte mich, aber hierbei würde er mir einfach vertrauen müssen.

33
    Im Palmer House wurde Ryans Eintreffen gebührend gewürdigt. Jeder schien ihn zu kennen, von den beiden jungen Parkdienst-Männern über den Barkeeper bis hin zum Oberkellner. Als wir zu unserem Tisch geführt wurden (»In der Ecke, genau, wie Sie es wünschten, Mr. Moriarty.«), unterbrach eine Gruppe Geschäftsleute ihr Gespräch, um Ryan zu grüßen. Ich kam mir vor wie bei einem Date mit George Clooney. Nachdem wir uns hingesetzt hatten, fragte ich: »Woher kennen die dich alle?«
    »Ich komme oft mit Klienten her«, erwiderte er. »Und meine Eltern kennen die Besitzer. Wir sind seit Jahren Stammgäste. Du weißt ja, wie so was geht.«
    Ich sah mich im eleganten Restaurant um: Es hatte wunderschöne Kronleuchter aus Millionen von Glasprismen, schwere Vorhänge, die mit Goldkordeln gehalten wurden, und einzeln angeleuchtete, wertvolle Ölgemälde. Meine Familie hatte auch ein Lokal, das wir seit Jahren regelmäßig besuchten. Es war eine Pizzeria namens Barnaby’s , wo in jeder Sitznische eine kleine Jukebox auf dem Tisch stand. Als Kinder konnten Mindy und ich es immer kaum erwarten, bis wir aufgegessen hatten, weil wir dann ein kleines Geschenk aus
einer Schatztruhe bekamen. Ich entschied mich jedes Mal für die faulen Zähne aus Plastik und Mindy meistens für Prinzessinnenkronen oder -ringe.
    Ich ließ Ryan den Wein aussuchen und danach bestellte er Coq au vin und Spinatsalat. Ich sagte dem Kellner, ich wolle das gleiche. Da er den Wein passend zum Huhn gewählt hatte, schien es mir das Sicherste zu sein. Die meiste Zeit über sprach Ryan. Er erzählte von seinen letzten Reisen und ein paar nervigen Ereignissen an Flughäfen – verspätete Flüge, verpasste Anschlüsse. Ich nickte und trank. Irgendwann merkte ich, dass ich gedanklich abschweifte. Ein angenehmes Gefühl. Ich leerte mein Glas und noch ehe ich es abstellen konnte, kam der Kellner, um es nachzufüllen. Bei Barnaby’s hatte das niemand getan.
    Inzwischen spürte ich den Alkohol sehr deutlich. Ich hatte das plötzliche Gefühl, jeden in diesem Raum zu lieben, vom dunkelhaarigen Mann, der unsere Salatteller abräumte, bis hin zu den beiden alten Damen am Nebentisch, von denen die eine aussah wie Queen Mom. »Sag mir doch noch mal, was genau du eigentlich arbeitest«, bat ich bei einer kurzen Gesprächspause.
    »Meistens Qualitätskontrolle. Und ich helfe Firmen beim Einrichten von Managementsystemen.«
    »Managementsysteme?«
    »Six Sigma, Lean ... so was in der Art.«
    »Und gefällt dir deine Arbeit?« In meinem leicht beschwipsten Zustand schien es mir wichtig, diesen Mann genau zu inspizieren.
    »Ach ja, es geht«, sagte er und legte seine Hand auf meine. »Sie lässt mich meinen Lebensunterhalt bestreiten.«
    Seinen Lebensunterhalt. Ich dachte an seine Steuererklärung.

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