Eine unzüchtige Lady
hatte, dann jetzt.
Nicholas lächelte träge. »Das wird es sein, Mylady.«
Sie betrachtete ihn nur mit diesen bemerkenswerten Augen. Einzig ihre leicht zitternden Lippen verrieten ihre Gefühle. »Ihr klingt sehr von Euch überzeugt, Euer Gnaden.«
War er das? Vielleicht. Aber dann war es allein der Tatsache geschuldet, wie wenig er über sie wusste.Vielleicht hatte er deshalb vorgeschlagen, eine komplette Woche miteinander zu verbringen. In einer Welt, die ihm allzu oft berechenbar schien, war sie ein Mysterium. »Ich bin sicher, wir sind beide voneinander überzeugt. Sonst hätten wir nicht diese Wette platziert, denkt Ihr nicht?«
»Ich glaube, dann ist es beschlossene Sache«, sagte sie und erhob
sich. »Tut Euch keinen Zwang an, mich von den Details unserer Verabredungen in Kenntnis zu setzen. Wir können weiterhin so kommunizieren wie bisher. Sendet die Nachrichten an die bekannte Adresse, und sie werden mir überbracht.«
Er und Derek erhoben sich höflich.
»Mein Kutscher ist im Schankraum und wartet auf mich. Er wird mich hinausbegleiten.«
Nicholas wollte sogleich protestieren und ihr seinen Schutz anbieten, da er sich wegen der rauen Menschenmenge im anderen Raum sorgte. »Ich werde Euch zur Kutsche begleiten.«
»Nein danke, Euer Gnaden. Selbst hier bevorzuge ich es, nicht mit Euch gesehen zu werden.«
Diese ruhige, gesammelte Feststellung brachte ihn zum Schweigen. Einen Großteil seines Erwachsenenlebens lang war er von Frauen umgeben gewesen, die mehr als nur darum bemüht waren, an seinem Arm gesehen zu werden. Das hier war eine für ihn neue Erfahrung. Der Stich, den ihre Abweisung ihm versetzte, überraschte ihn. Warum sollte es ihn kümmern, was sie dachte oder tat?
Sie nahm ihren Hut und setzte ihn auf, zupfte den Schleier über ihrem Gesicht zurecht und verschwand in einem Wirbel aus Smaragdgrün. Allein der Hauch ihres blumigen Parfüms blieb im Raum zurück.
Kapitel 5
»Was für eine herrliche Veranstaltung. Findet Ihr nicht auch, Mylord?«
Abwesend blickte Derek Drake auf die Frau hinab, die in seinen
Armen lag. Lieber Himmel, einen Moment lang konnte er sich nicht einmal an ihren Namen erinnern. Wie verwirrend.
Amelia. Ja, sie war die Schwester eines Freundes, und darum hatte er ihr den ersten Tanz geschenkt. Horace hatte sie ihm zugeschoben, und er hatte zugestimmt, die junge Frau auf die Tanzfläche zu führen. Hauptsächlich tat er das, weil jemand, der zu einem Ball ging, zumindest auch den Anschein erwecken sollte, dass er sich amüsierte.
Derek verspürte kein Vergnügen, aber andererseits hatte er das auch nicht erwartet.
Der Grund, der ihn herführte, hatte absolut nichts mit Unterhaltung oder Zerstreuung zu tun. Seine Motive ähnelten eher einer Selbstgeißelung.
Das ist sehr ergiebig, dachte er selbstironisch, während er seine Tanzpartnerin im Walzerschritt über das Parkett führte. Seine Partnerin war sehr klein und Derek ein großer Mann. Er war sicher, sie sahen zusammen ein bisschen absurd aus. Laut sagte er: »Ja, ein wunderbarer Abend.«
Diese Art banaler Konversation würde ihm bestimmt den Titel als blendenden Liebhaber einbringen, oder nicht? Zu seinem Glück schien seine Antwort Amelia zufriedenzustellen, denn sie blickte strahlend zu ihm auf, als hätte er etwas sehr Kluges gesagt.
»Durchaus.«
Was sollte er darauf erwidern? Nichts erschien ihm passend. Seine vermeintlich silberne Zunge fühlte sich heute Abend wie gelähmt an. Er spürte eine immens große Erleichterung, als die Musik zum Ende des Stücks leiser wurde und er seine Partnerin von der Tanzfläche führen konnte. Er verneigte sich über ihrer plumpen Hand und floh.
Im Ballsaal herrschte wie erwartet ein großes Gedränge, und Derek schob sich durch die Menge. Die offenen Fenster verschafften kaum Linderung von der Hitze, und das Gemurmel
der Stimmen wetteiferte mit dem Orchester um die Vorherrschaft. Zum Glück ermöglichte es ihm seine Körpergröße, sein Ziel im Auge zu behalten. Schließlich erreichte er Nicholas. Sein Freund lehnte an einer griechischen Säule und trank Champagner.
Ohne einleitende Worte fragte Derek: »Eine Woche lang? Bist du wahnsinnig, Nick?«
Sie waren von anderen Menschen umringt, aber zwischen der Musik und dem Nachklang von hunderten Stimmen war ihre Unterhaltung relativ privat, als wären sie an einem ungestörten Ort. Der Duke of Rothay warf ihm einen seiner rätselhaften Blicke zu, für die er so bekannt war. »Es schien mir vernünftig.«
Derek
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