Eine unzüchtige Lady
weites Feld ist. Mit dem Partner vertraut werden ist ebenso nützlich. Eine Woche in Gesellschaft des Einzelnen, sowohl im Bett als auch außerhalb, erscheint mir daher logisch, um zu einem gerechten Ergebnis zu gelangen.«
Was auch immer Lady Wynn erwartet hatte, offensichtlich nicht das hier. Einen Moment lang schien sie verblüfft zu sein, aber dann nickte sie langsam. Eine einzelne Locke ihres kupferfarbenen Haares strich über die elfenbeinerne Säule ihres Halses. Er konnte den Blick kaum abwenden.
»Ich vermute, wenn ich schon so weit gegangen bin, kann ich diesem Vorschlag zustimmen«, sagte sie. »Ich werde mir etwas ausdenken, um mein langes Fernbleiben zu entschuldigen.«
Exzellent.
Aus dem Schankraum drang plötzlich lauter Lärm; ein kleiner Disput zwischen einigen der äußerst fragwürdigen Stammgästen schallte herüber. Einige Worte konnte man ausmachen, die für die Ohren einer Lady gänzlich ungeeignet waren. Aber sie blinzelte nicht mal.
Ja, ihre Haltung war bemerkenswert.
»Ich habe ein kleines, ländliches Anwesen in Essex.« Nicholas versuchte sich vergeblich zu erinnern, wann er zuletzt dort gewesen war. Wenn er sich aufs Land zurückzog, reiste er zu dem um einiges größeren Familiensitz in Kent. Das kleinere Anwesen war Teil seines Erbes, und es stand zumeist leer, bis auf ein paar Bedienstete, die es verwalteten. »Es schmiegt sich in die Landschaft, und in der Nähe gibt es keine größere Stadt, aber es ist hübsch und ruhig dort, wenn ich mich recht entsinne. Und es ist nicht weit bis London. Wir müssten also keine tagelange Reise
auf uns nehmen. Es könnte der perfekte Ort sein, um sich diskret zurückzuziehen.«
Eine Woche in Gesellschaft einer Frau, die er nicht einmal kannte, war mehr als nur impulsiv. Es war geradezu unvernünftig. Gewöhnlich genügte ihm eine Nacht hier oder da. Er war für seine Rastlosigkeit bekannt, denn seine kurzen Liebschaften verlangten nichts außer flüchtigem Vergnügen. Er hielt sich keine Mätressen, weil er einfach keine brauchte. Unzählige Frauen wären ihm gefällig, es genügte ein Wink von ihm. Für ihn war es selbstverständlich, dass er jederzeit weibliche Gesellschaft bekam, wenn ihn danach gelüstete.
Eine innere Stimme flüsterte aber jetzt in seinem Kopf, dass Lady Wynn in sexuellen Dingen nicht geübt war, und das machte sie hinreißender als die meisten Frauen. Er war nicht daran interessiert, eine Jungfrau zu deflorieren. Aber sie war keine Jungfrau mehr, und ihre bezaubernde Schönheit und herrliche Weiblichkeit überrollten seine Vorsicht. Einen Moment lang vergaß er, dass sie noch sehr jung, begehrenswert und auf dem Heiratsmarkt verfügbar war.
Sie hatte deutlich gemacht, dass sie nicht wünsche, je wieder zu heiraten, und er glaubte ihr; ihre Stimme hatte unmissverständlich und sehr glaubwürdig geklungen.
Eine Woche, in der er sie in die fleischlichen Genüsse einführen durfte, klang tatsächlich wie eine angenehme Ablenkung von seinem stets vollen Terminplan. Die Parlamentssitzungen waren vorerst vorbei, und er konnte seinem Verwalter mitteilen, wo dieser ihn im Notfall erreichte …
Ja, dachte er und studierte die sinnliche Fülle ihrer Unterlippe, das elfenbeinhelle Fleisch, das oberhalb des Mieders ihres tief ausgeschnittenen Ballkleids bebte, die leichte Röte, die ihre Wangen überzog. Eine Woche wäre in ihrer Gesellschaft vermutlich leicht zu ertragen.
Sie errötete tatsächlich! Bemerkenswert. Harsche Worte vermochten nicht, was ihm mit einem Blick gelang.
»Dann sind wir uns einig?« Er stellte sein Weinglas beiseite und hob fragend eine Augenbraue.
»Ich vermute, ich kann einen ähnlichen Ort finden.« Derek nickte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete ihre schöne Gefährtin, als fände Nicholas’Vorschlag sein Einverständnis. »Solange Lady Wynn sich der Folgen bewusst ist, die es für ihren Ruf nach sich ziehen könnte, falls unsere kleine Vereinbarung aufgedeckt wird. Niemand von uns wird auch nur eine Andeutung in diese Richtung machen, aber auch bemühte Diskretion ist nicht unfehlbar.«
Caroline Wynn blickte einen kurzen Moment beiseite, und ihr Mund wurde zu einem harten Strich. Dann blickte sie wieder auf und straffte die schmalen Schultern. »Natürlich bin ich nicht erpicht darauf, einen Skandal zu provozieren. Aber wenn es dazu kommt, wird es meine eigene Schuld sein, und ich hoffe, das Risiko … wird es wert sein.«
Nun, wenn er je eine Herausforderung gehört
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