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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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Unschuld bewahrt hatte, dass sie noch Hoffnung besaß und ein anderes Wesen, das auch ein ganz anderes Leben führen könnte als das, das sie bislang gehabt hatte. Die Narben, ihre Narben, würden nie mehr weggehen, das wusste sie. Sie würde nie ein Ganzes werden können, so wie Truitt nie wieder jung sein könnte. Aber über ihre Narben würde neue Haut wachsen, sie würden weißer werden und dann verblassen und für ein Kind anschließend kaum mehr wahrnehmbar sein.
    Truitt hatte sie anders gesehen, auf eine neue Art. Seine Vorstellung von ihr hatte sie dazu gebracht, sich selbst anders zu sehen, und sie dazu angeregt, die Frau zu werden, die er sich wünschte. Weniger verdiente er auch nicht. Catherine hatte ein Leben geführt, in dem Güte weder erwartet noch gewährt wurde. Angeschlagen, wie sie war, kannte sie den Unterschied zwischen Glück und Angst gar nicht. Sie kannte den Unterschied zwischen Aufregung und Furcht auch nicht. Aber den ganzen Tag lang spürte sie einen Knoten im Magen und wusste gar nicht, wie sie dieses Gefühl eigentlich nennen sollte. Ihre Hände zitterten. Heimlich erbrach sie sich am Morgen, aber sie hatte auch das Gefühl, dass ein Ende ihres dauernden Drahtseilaktes in Sicht war, dass die zugeschlagenen Türen, der feindselige, käufliche Sex und die betäubten Nächte in den Opiumhöhlen nun hinter ihr lagen.
    Was den Anfang und das Ende von etwas anbelangte, war sie sehr geschickt gewesen, aber jetzt erkannte sie, dass das, was das Leben an wahrer Freude zu bieten hatte, in der Mitte lag. Darin konnte sie nun auch etwas Seelenfrieden finden.
    Dann war er eines Tages dazu in der Lage, zu sprechen, und seine Stimme war nicht länger ein raues und brennendes Krächzen. Dann war er dazu in der Lage, auch wieder zu gehen, er konnte sich ankleiden, wieder ein Gespräch führen, konnte sich vorstellen, wieder mit der Arbeit anzufangen, um sein Schicksal aufs Neue in die Hand zu nehmen und den ängstlichen Augen der Stadt zu begegnen, die ganz von seinem Wohlbefinden abhing. Natürlich war er verändert. Er hatte einen Gang wie ein alter Mann, als wäre jeder Schritt ein angelernter und quälender Akt. Sein Haar war völlig ergraut. Als er aus seinem Glas Brandy trank, machte er mit der Hand eine Reihe abgehackter Bewegungen, wie Photographien mit Blitzlicht, um sie an den Mund zu führen.
    Sie saßen wieder am Esstisch. Er hatte um Rindfleisch, Kartoffeln und Pudding gebeten, das, was er als Schuljunge immer gegessen hatte. Während sie aßen, las er ihr die täglichen Katastrophenberichte aus der Zeitung vor.
    Seine Gabel klirrte auf den Teller, als es an der großen Eingangstür klopfte. Es war ein recht langer Weg bis dorthin, und Catherine bot an, zu gehen, aber Ralph war bereits, ein wenig unsicher, auf den Füßen.
    Â»Nein. Ich möchte gehen.«
    Er lief den ganzen langen Weg bis zum Eingang, und beim Gehen knipste er alle Lichter an. Er öffnete eine der großen Flügeltüren, und im Dunkeln stand ein Mann auf der Terrasse und sah auf die Treppe und den Schnee. Er drehte sich um, und Ralph konnte seine Silhouette ausmachen, aber sein Gesicht kaum erkennen.
    Der Mann streckte seine Hand aus. »Ich bin Tony Moretti«, sagte er. Und dann, nach einer Pause: »Ich bin dein Sohn.«
    Und obwohl beide wussten, dass das, was der Mann gesagt hatte, eine Fiktion war, machte Ralph einen Schritt hinaus ins Dunkel und breitete die Arme aus.

21. KAPITEL
    â€¢ • •
    S öhne kehrten zu ihren Vätern nach Hause zurück, selbst zu Männern, die gar nicht ihre Väter waren, Männern, die sie besinnungslos geschlagen hatten. Söhne kehrten nach Hause zurück, zerfressen von Rachegefühlen. Nach Hause zu Vätern, die sich die Grausamkeiten, die sie begangen hatten, selbst nicht vergeben konnten. Solche Dinge passierten.
    Er hatte seinen ganzen Besitz mitgebracht, die schicken Anzüge, die extravaganten Pariser Krawatten, die makellosen Hemden, den Spazierstock mit dem Silberknauf und die bernsteinfarbenen Parfüms aus London. Er besaß keinen Cent. Mit seinem langen Hals und seiner Nutzlosigkeit wirkte er wie ein Schwan, und jede seiner Gesten und jedes seiner Worte schien völlig fehl am Platz, zu exotisch und zu affektiert. Nach dem Abendessen spielte er Klavier, und selbst das wirkte übertrieben, als würde er für ein vornehmes Publikum in

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