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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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einem Nachbarn trug, dessen Haus von Krankheit oder einem Brand oder dem Tod heimgesucht worden war. Sie hätte vielleicht Kleider für ihre Töchter nähen und ihnen an einem Abend wie diesem vorlesen können. Von einer Welt der Phantasie und der Wunder an einem Abend, an dem man die eigene Hand nicht vor den Augen sehen konnte. Sie konnte sich die Umstände, unter denen all dies vielleicht geschehen könnte, nicht so recht vorstellen. Aber wie eine Schauspielerin, die dabei zusehen muss, dass eine Rolle, die sie gespielt haben könnte, jemandem mit weniger Talent zufällt, hatte Catherine irgendwie das Gefühl, ihr sei eine Rolle verloren gegangen, die würdevoller und der Landschaft ihres Herzens gemäßer gewesen wäre.
    Ihr wahres Herz war allerdings sehr tief in ihr vergraben, unter der breiten Decke ihrer Lügen und Täuschungen und Launen regelrecht verschüttet. Wie ihr Schmuck, der jetzt unter dem Schnee lag, lag es verborgen da, bis es irgendwann vielleicht auftaute. Sie konnte natürlich gar nicht wissen, ob dieses Herz, von dem sie sich vorstellte, dass sie es besäße, tatsächlich existierte. Vielleicht war es wie der abgetrennte Arm des Soldaten, der noch jahrelang schmerzt, oder wie ein einmal gebrochener Knochen, der wehtut, wenn ein Sturm naht. Vielleicht hatte sie dieses Herz, das sie sich nun vorstellte, überhaupt nie besessen. Aber wie machten sie es denn, diese anderen Frauen, die sie auf der Straße sah und die mit ihren bezaubernden oder schlecht gelaunten Kindern in Restaurants und Bahnsteigen und überall um sie herum lachten? Und warum war sie von diesem ganzen sentimentalen Panorama ausgeschlossen, das sich zeitlebens Tag für Tag um sie herum abgespielt hatte?
    Einmal in ihrem Leben wollte sie mitten auf der Bühne sein. Deshalb war der Einsatz in diesem Spiel mit Ralph Truitt höher, als sie zunächst gedacht hatte. Denn das, was sie war, als sie vorm Spiegel in dem einsamen Farmhaus stand, war in Wirklichkeit alles, was sie war.
    Sie war eine einsame Frau, die auf eine Heiratsannonce in einer Tageszeitung geantwortet hatte, eine Frau, die mit Hilfe des Geldes eines anderen Menschen kilometerweit angereist war. Sie war weder lieb noch sentimental, weder einfach noch ehrlich. Sie war verzweifelt und hoffnungsvoll zugleich. Sie war wie all diese Frauen, deren alberne Träume dazu führten, dass sie und ihre Freundinnen vor hoffnungslosem Spott heulten, nur dass sie jetzt ins Gesicht einer solchen Frau blickte und es überhaupt nicht komisch fand.
    Sie drehte das Deckenlicht aus, so dass das Zimmer im Licht einer einzigen Kerze, die auf dem Nachttisch stand, flackerte. Sie zog die schweren Vorhänge gegen den Sturm zu und schlüpfte in das bequeme, damenhafte Bett.
    Als sie sich vorbeugte, um die Kerze auszublasen, erklang ein lautes Klopfen. In der pechschwarzen Dunkelheit lief sie schnell über den kalten Fußboden und öffnete die Tür und erblickte das blasse, abgespannte Gesicht von Mrs. Larsen.
    Â»Er ist sehr, sehr heiß«, sagte sie.

5. KAPITEL
    â€¢ • •
    I n seinem Fieber kamen die Frauen zu ihm. Sie hoben seinen zitternden Körper aus den zerwühlten Laken und legten ihn, immer noch in seinem Nachthemd, in ein lauwarmes Bad. Seine Augen rollten wild, sein Atem ging keuchend und unregelmäßig. Dann kam der Schüttelfrost, und ihre kräftigen Hände hielten ihn.
    Nach einer langen Zeit hoben sie ihn wieder heraus, und das abkühlende Wasser floss in breiten Bächen über das Nachthemd, das an seinem Fleisch klebte wie eine zweite Haut. Dann entkleideten sie ihn, trockneten seinen nackten Körper ab, zogen ihn wieder an und verhalfen ihm zu frischen Laken im Bett seines Vaters. Sie hatten seinen Körper gesehen, den seit fast zwanzig Jahren keine Frau mehr erblickt hatte.
    Er war keinen Augenblick allein, es gab keinen Augenblick, wo nicht die Hand einer Frau auf seinem Arm, auf seiner Stirn oder seiner zitternden Brust lag. Sie hielten seine Hand. Sie machten ihm kalte Umschläge aus Schnee, legten sie ihm auf den Kopf und warteten darauf, dass das Fieber zurückging.
    Sie hielten ihm den Kopf und das Kinn, während sie versuchten, ihm dunkle Brühe in den schlaffen Mund zu löffeln, und er konnte ihre leisen Stimmen hören, aber wie aus weiter Ferne. Er war krank. Er war nicht mehr jung, sein Fleisch nicht länger straff. Die Frauen berührten ihn.

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