Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
auch dauern mag – damit verbringen, über seine Schulter zu blicken, immer damit zu rechnen, dass du ihm auf den Fersen bist.«
»Das muss er jetzt ohnehin«, erwiderte Jamie grimmig und mit einem blutrünstigen Glitzern in den Augen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts davon ergibt irgendeinen Sinn. Warum sollte der Earl dir das Halsband verweigern, aber dennoch all das Gold schicken?«
»Das Gold sollte niemals etwas anderes sein als eine Ablenkung. Er hatte nie die Absicht, es mir zu überlassen. Der Fahrer ist in der Sekunde, da du getroffen wurdest, auf und davon.«
Seine Worte verstärkten ihre Verwirrung und das dumpfen Pochen in ihrer Schulter. »Ich kann verstehen, warum der Earl dich umbringen wollte, besonders jetzt, da er weiß, dass du glaubst, er habe deine Eltern ermordet. Aber was, um alles auf der Welt, sollte er dadurch erreichen, dass er mich tötet?«
Er beugte sich vor und streifte mit seinen Lippen ihre Stirn, und sein rücksichtslos gerecktes Kinn ließ ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken laufen. »Jetzt, da wir sicher wissen, dass der Bastard damit keinen Erfolg hatte, habe ich vor, genau das herauszufinden.«
Anders als Hepburn Castle verfügte die Festung der Sinclairs über kein Labyrinth aus Kerkern unter dicken Steinschichten, keine rostigen Ketten, die von feuchten Mauern baumelten, keine Geheimgänge, die sich unter der Erde entlangwanden. Aber es gab eine kleine Kammer – eigentlich mehr eine Höhle –, die ursprünglich unter dem Turm aus dem Berg gegraben worden war, als Rübenkeller. Der Raum war schlicht und praktisch … und es war ausgeschlossen, daraus zu fliehen.
Kleine Steine knirschten unter Jamies Stiefelabsätzen, während er den steilen Abhang hinunterstieg. Er achtete nicht weiter auf die Wärme der Frühlingssonne auf seinen Schultern oder die dickbauchigen Wolken, die über den blauen Himmel zogen.
Bon wartete auf ihn vor der Holztür, die direkt in den Felsen eingelassen war. Das übermütige Zwinkern in den Augen seines Cousins war verloschen, sodass sie so kalt und schwarz aussahen wie der tiefste See im Winter.
»Miss Marlowe?«, fragte er und befürchtete offenkundig das Schlimmste.
»Sie ist wach«, erwiderte Jamie und sagte ihm damit alles, was er wissen musste.
Bon seufzte erleichtert, dann nickte er, schloss die Tür auf und ließ sie wortlos aufschwingen. Jamie duckte sich unter dem niedrigen Türstock hindurch. Die Höhle wurde von einer einzelnen Fackel beleuchtet. Nachdem Bon hinter ihm die Tür geschlossen hatte und damit das Sonnenlicht ausgesperrt war, benötigte er eine Minute, bis seine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten.
Ein Mann saß mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand, ein langes Bein angezogen. Sein maulbeerfarbener Rock war nirgends zu sehen, seine Seidenweste zerknittert und sein teures Leinenhemd an der Schulter aufgerissen. Sein linker Arm befand sich in einer schmutzigen Schlinge, und ein hässlicher blauer Fleck verunzierte seine Wange. Sein dunkles Haar hing ihm in schmutzigen Strähnen ins Gesicht.
Obwohl er eindeutig in schlechter Verfassung war, gelang es Ian, sich aufzurappeln und hinzustellen. »Ich habe mich schon gefragt, wann du wohl auftauchen wirst. Bist du gekommen, zu Ende zu bringen, was deine Männer begonnen haben?«
»Vielleicht. Aber erst, wenn ich Antworten bekommen habe.«
»Ich hätte gerne selbst ein paar Antworten, wenn es recht ist. Ich fürchte, deine Leute waren nicht sehr auskunftsfreudig. Hat Miss Marlowe die Verwundung überlebt?«
»Wenn nicht, würden wir nicht diese Unterhaltung führen.« Jamie trat näher an seinen alten Freund heran, rang darum, seine arg mitgenommene Beherrschung zu wahren. »Jetzt bin ich an der Reihe. Warum sie? Warum sollte dein Onkel eine unschuldige Frau umbringen wollen?«
»Nachdem sie so lange in deiner Gesellschaft war, zweifle ich daran, dass sie noch unschuldig ist.«
Ians spöttisches Schnauben wurde jäh erstickt, als Jamie mit einem Schritt bei ihm war, ihn am Hals packte und gegen die Wand presste. Ian zerrte mit der Hand, die sich nicht in der Schlinge befand, an seinem Arm. Jamie hatte Ian gut beigebracht, wie man unfair kämpfte, aber wenn es um rohe Gewalt ging, würde Jamie ihm gegenüber immer im Vorteil sein.
»Jetzt lass uns das noch einmal versuchen«, erklärte Jamie und fletschte die Zähne wie ein wildes Tier. Er lockerte seinen Griff gerade weit genug, dass Ian sprechen konnte. »Warum hat dieser verfluchte
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