Eine von Zweien (German Edition)
die
Sachen abgelegt und dann runter. Es war so schönes Wetter, dass wir noch die
letzten Sonnenstrahlen auf der Veranda erhaschen konnten, bevor sie
verschwanden. Wir setzten uns hin, ohne viel Worte zu verlieren. Früher, ganz
früher, habe ich die Zeit oft mit meinen Freundinnen hier verbracht oder mit, ...ja,
mit Lukas. Um genau zu sein, war das der Ort, an dem wir damals unsere
gemeinsamen Pläne vorbereitet hatten. Wir saßen oft bis in die Nacht hier
draußen und überlegten uns, was wir wo alles sehen wollten. Genau hier hatte
mir dann Lukas auch gesagt, dass er die Pläne alleine verwirklichen wird. Es
roch alles genau wie damals, auch wenn es eigentlich nicht sein konnte, aber so
war es. Alles schien wie konserviert. Ich hatte mich so sehr verändert, doch
hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Der lila Flieder wiegte sich im
Wind und verbreitete seinen Duft. Ich fühlte mich in die Vergangenheit
zurückversetzt. Auch Beth schien in ihre Gedanken vertieft, und von ihnen
davongetragen. Vielleicht erinnerte sie sich an genau die gleiche Situation wie
ich. Das war der Punkt, an dem wir getrennte Wege eingeschlagen hatten. Ich
hatte die Flucht angetreten und sie den Angriff. Wieso hatte sie die Kraft
dafür gehabt und ich nicht? Es breitete sich ein bitterer Geschmack in meinem
Mund aus.
„Lissi, an was denkst du gerade?“
„Ich musste gerade daran denken, dass du die Kraft hattest,
von hieraus, von genau dem Gespräch, was hier stattfand, nicht wie ich zu
flüchten, sondern anzugreifen. Dass wir von hier aus in gegensätzliche
Richtungen gegangen sind. Ich frage mich, warum?“
„Du meinst, warum du den einen Weg gewählt hast und ich mich
für den anderen Weg entschieden habe?“
„Ja, warum? Wo hattest du die Kraft her? Und warum hatte ich sie nicht?“
Jetzt saßen wir hier und versuchten das Puzzle
zusammenzubekommen. Wo war es passiert? Ich fühlte eine unglaubliche
Dankbarkeit aufkommen. Ja, wer hat denn schon die Möglichkeit, sich mit einer
anderen Version von sich zu unterhalten? Oder besser, wer hat den Mut dafür?
Ich hatte ihn auch nicht, aber Beth gab ihn mir. Ja, woher hatte sie nur diese
Kraft? Diesen Mut?
„Ich glaube fest daran, dass es nicht um Kraft geht oder
ging. Es war auch keine Entscheidung, die wir hätten treffen können. Ich glaube
eher, dass es mit einem Moment zu tun hat, in dem wir eine Entscheidung treffen
und auch durchziehen. Es geht um den Moment. Es passieren viele Momente in
unserem Leben, in denen wir handeln ohne nachzudenken oder wirklich präsent zu
sein. Ich denke, wir haben einfach in unterschiedlichen Moment gehandelt.
Beziehungsweise, haben zu unterschiedlichen Zeiten wichtige Entscheidungen
getroffen. Wenn man weiß, was man will, dann braucht man auch weniger Kraft und
das war´s. Mehr nicht!“
Ich wollte es wissen, ich musste es wissen! Welcher Moment
war es? Was ist anders gelaufen? Wo war der Unterschied?
„Ok, nachdem du mit Lukas gesprochen hattest, was hast du
dann getan? Beth, kannst du dich noch erinnern?“
„Als würden wir über gestern sprechen. Lukas war gegangen und
ich saß hier noch eine Weile. Ich wollte gerade aufstehen, um nach oben in mein
zu Zimmer gehen, als Mum rauskam. Ich schickte sie weg, ich wollte nicht mit
ihr sprechen. Ich wollte mit niemanden sprechen. Dann schickte Mum Dad zu mir.
Er drückte mich und fragte, ob ich mit ihm reden wolle. Als ich verneinte,
sagte er, ich könne auch erst mal Nürnberg verlassen und ein Praktikum in
Berlin machen. Ich wandte mich aus seiner Umarmung und sagte ihm, ich wolle nicht
reden und ein dummes Praktikum in Scheiß-Berlin wollte ich auch nicht machen.
Ich rannte hoch ins Zimmer und schloss mich ein. Ich musste allein sein. Den
Rest des Abends habe ich nur im Bett gelegen und geweint. Am nächsten Tag habe
ich mich fertig gemacht und die ganze Familie ging zur Abi-Verleihung. Wir alle
haben kein einziges Wort mit Lukas und seiner Familie gesprochen. Ich habe Tage
mit niemand gesprochen. Ich musste erst mal klarwerden. Nach dem vielen Weinen
war ich so erschöpft, dass ich nicht mehr weinen konnte, ab diesem Zeitpunkt
konnte ich wieder klar denken. Ich wollte von hier weg, so schnell wie möglich!
Ich wollte meine Gedanken ordnen, nahm ein Stück Papier in die Hand um mir
Notizen zu machen, setzte den Stift auf und begann zu malen. Über Stunden! Als
ich erschöpft aufhörte, schlief ich sofort ein. Ich wachte auf und wusste, ich
muss nach Italien und ich muss malen. Das
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