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Eine von Zweien (German Edition)

Eine von Zweien (German Edition)

Titel: Eine von Zweien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Albrecht
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hatte bis jetzt nicht gejammert, dann brauchte ich jetzt auch nicht
damit anfangen. Gut, ich hatte die Vergangenheit auch nicht mehr beachtet, da
fiel es leicht, nicht zu jammern. Dieses kleine Detail konnte ich ja getrost
beiseite lassen, fand ich im Moment zumindest. Ich beschloss einfach, ein
bisschen nachgiebiger mit mir zu sein. Und wie Alice mir in unserem letzten
Telefonat versichert hatte: ich bräuchte meine Vergangenheit, um in die Zukunft
gehen zu können und um mich vollständig zu fühlen. Also sollte ich mich schnell
mit mir versöhnen. Ich wollte ja nicht ewig in diesem Schwebezustand wie jetzt
verharren. Ich konnte mich schon verstehen: zufrieden zu sein ist viel
gemütlicher. Das Glück zu verfolgen, das schien harte Arbeit zu sein.
    „Ist euch zweien nicht zu kalt hier draußen? Wollt ihr nicht
reinkommen? Der Auflauf steht schon auf dem Tisch.“
    Mum strahlte uns an, stolz darüber, uns ihren Auflauf
präsentieren zu können und wohl auch einfach ein bisschen glücklich darüber,
dass ich da war. Der Geruch des Auflaufs erfüllte die ganze Küche. Es war
richtig gemütlich hier. Mum wirbelte in ihrer karierten Schürze herum, um noch
die letzten Handgriffe zu tätigen, bevor sie sich auch setzen durfte. Sie war
schon immer die perfekte Gastgeberin. Alles, was man fürs Essen brauchte, wurde
schon auf dem Tisch platziert und das Schlemmen konnte losgehen. Wir kamen rein
und setzten uns.
    „Deine Schwester versucht auch noch, vorbeizukommen, sie weiß
aber noch nicht, ob sie es schafft. Die kleine Anna hat eine Erkältung und hält
Alice gerne nächtelang wach. Aber du kennst ja deine Schwester, die wird alles
tun, um dich irgendwie heute noch zu sehen. Wir haben dich ja alle hier sehr
vermisst“, sagte sie und ergriff meine Hand dabei. In dem etwas zu festen Druck
ihrer sanften Hand konnte ich Traurigkeit erkennen, während auf ihrem Gesicht
ein perfektes Grinsen festgemeißelt zu sein schien.
    Wir saßen an dem perfekt gedeckten Tisch, auf dem der
herrlich duftende Auflauf stand und, wie erhofft, neben der guten Tomatensoße
stand auch die Ketchup-Flasche. Für Mum war Ketchup ein Graus, nur zu diesem
Gericht durfte eine Ausnahme gemacht werden und man durfte die Flasche auf den
Tisch stellen. In meinem Bauch machte sich, das warme, wohltuende Gefühl der
Zuneigung breit. Diese Frau wollte immer nur das Beste für alle, auch wenn es
bedeutete, von sich etwas aufzugeben. Meine Mutter hatte ihr Leben für uns Alle
aufgegeben, auch, wenn sie das nicht so sah. Wir mussten einen Weg finden, um
ihr unsere Dankbarkeit zu zeigen. Ich wusste noch nicht wie und wann, aber das
konnte ich ja noch herausfinden, später. Aber ich würde es herausfinden.
Vielleicht war ihr Traum ja doch noch nicht ausgeträumt. Aber jetzt hatte ich
erst mal Hunger und würde mich über diesen Auflauf hermachen.
    Als wir schon im Wohnzimmer vor dem Fernseher saßen, kam Dad
nach Hause. Er kam müde, in sich gekehrt von der Arbeit. Ich erinnerte mich, er
war oft noch mit seinen Gedanken bei der Arbeit. Wenn ich an meine Kindheit
dachte: wenn ich Freizeit hatte,   kümmerte er sich immer um Dinge, die
etwas mit der Arbeit zu tun hatten. Wenn er die Wahl zwischen zwei Aktivitäten
hatte und davon eine Sache etwas mit seiner Arbeit zu tun hatte, dann entschied
er sich lieber dafür. Ich schaute ihm dabei zu wie er sich an den Tisch setzte,
nachdem wir ihn begrüßt hatten und ich ihm Beth vorgestellt hatte. Er war nicht
grummelig, er beschwerte sich auch niemals über seinen Job. Ich hatte ihn nie
eine schlechtes Wort über seine Arbeit fallen hören, er konnte meckern, aber er
tat es nie über seinen Job. Vielleicht hatte Beth recht gehabt. Ja, wie es den
Anschein machte, liebte Dad seinen Job. Seine Arbeit war seine Passion.
Vielleicht war das auch ein Teil, der zwischen uns stand. Er sah, wie ich
meinen Job machte. Ganz ohne Leidenschaft. Im Gegensatz zu ihm. Gerade wollte
Wut darüber hochbrodeln, wir er solche Erwartungen an mich haben kann, nachdem
ich für ihn mein Traum aufgegeben hatte, als ich mich zusammenriss und mich an
Beth und mein Gespräch von vorhin erinnerte. Ich warf ihr einen durchdringenden
Blick zu und wir entschlossen uns, einen kleinen Verdauungsspaziergang zu
machen. Wir packten uns warm ein und liefen los.
    „Vergiss nicht, deine Erinnerungen nochmal aufzuschreiben
oder sie wenigstens zu durchleben, es hat einen Sinn, warum du das alles machen
sollst. Ah, nein, frag mich nicht, welchen Sinn es macht.

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