Eine Welt für Menschen
eine Strafe? Sollte sie, während sie hier saß und die endgültige Konzeption des Nächstherrlichen über sich ergehen ließ, gezwungen werden, die Verwerflichkeit ihrer geheimsten, unterbewußten Regungen zu erkennen?
Sie wollte sich dagegen sträuben; aber die Pseudowirklichkeit ließ ihr keine Zeit. Sie war auf einem halb überwucherten Pfad in den Dschungel hinausgewandert. Es krachte und prasselte vor ihr. Eine riesige Bestie brach aus dem Dickicht und stürmte mit fauchendem Gekreisch auf sie zu. Sie erstarrte. In Augenblicken tödlicher Gefahr vergaß selbst der klügste Mcheza-Spieler, daß er sich in einer Fiktivwelt befand.
Ein dumpfer, hallender Schlag! Zitternd ragte der Schaft eines Speeres aus der Brust des Ungeheuers. Das Tier bäumte sich auf. Ein gellender Todesschrei ließ die feuchtheiße Luft erzittern. Die Bestie brach zusammen. Das konvulsivische Zucken der Glieder wurde rasch kraftloser, erstarb schließlich ganz. Tajsa wandte sich um.
Da stand Bannister, den muskulösen Arm mit dem zweiten Speer wurfbereit erhoben, falls der erste sein Ziel verfehlte. Er grinste übers ganze breite Gesicht und musterte Tajsa mit einem Blick, dessen Gier den dünnen Stoff ihres Gewands mühelos durchdrang.
»Ich habe dir das Leben gerettet«, sagte er in seiner glucksenden, zischenden Sprache, die Tajsa verstand, weil es in der Pseudo-Wirklichkeit keine Verständigungsbarrieren gab. »Du schuldest mir etwas.«
»Dank«, antwortete Tajsa hastig. »Ich schulde dir Dank. Ich will dir geben, was …«
»Ich brauche dein Angebot nicht«, fiel er ihr schroff ins Wort. »Ich weiß schon, was ich will.«
Er ließ den Speer fallen. Er kam auf sie zu. Sie wollte vor ihm zurückweichen. Aber hinter ihr lag das tote Ungeheuer. Sie stolperte und verlor den Halt. Er riß ihr das Kleid vom Leib und stürzte sich auf sie. Auf dem Leib der toten Urwaldbestie vollzog sich die Vereinigung des Barbaren mit Tajsa, der Krone der Schöpfung.
Sie war immer noch verwirrt, als sie in die Wirklichkeit zurückgebracht wurde. Sie haßte Bannister aus dem Grund ihres Herzens für das, was er getan hatte. Gleichzeitig aber empfand sie ein neues Gefühl des Lebendigseins, das sie früher nie gekannt hatte.
»Die Prozedur ist beendet, Herrliche«, sagte der Oberste der Repro-Aspekte. »Du kannst gehen.«
Sie richtete sich auf, blieb jedoch noch sitzen.
»Das war ein seltsames Mcheza-Erlebnis«, sagte sie. »Wer hat es erdacht?«
»Das wird sich nicht ermitteln lassen«, antwortete der Repro-Aspekt. »Die Gedanken vieler fließen in den Repro-Prozeß, auch deine eigenen. Wenn es erfreulich war, was du in deinem Mcheza-Abenteuer erlebtest, dann zeichne es auf, und die Mcheza-Aspekte werden sich bemühen, dein Erlebnis zu reproduzieren.«
Tajsa zögerte ein paar Sekunden. Dann gab sie sich einen Ruck und stand auf.
»Nein, das will ich nicht«, sagte sie schroff.
Im nächsten Augenblick war sie bei der Tür und trat durch die Öffnung hinaus auf den Korridor.
Es fiel Ashley Bannister nicht schwer, Newton zu finden. Newton war überall; man brauchte nur nach ihm zu rufen. Die Beiläufigkeit, mit der er nach Manhattan zurücktransportiert wurde, gab ihm zu denken. Hatte Kepler nicht davon gesprochen, daß es ihm unmöglich sei, Transporte zu und von Tajsas Domäne vorzunehmen, solange nicht wenigstens ein minderrangiger Qahire anwesend war? Die Schwierigkeit schien sich aufgelöst zu haben. Wie und aus welchem Grund? Es gab nur eine plausible Erklärung. Newton verfügte über mehr Möglichkeiten als Kepler. Schließlich war er einer der Aspekte, die der Herrlichen unmittelbar dienten.
Kepler und Newton hatten sich miteinander verständigt – das war die Erklärung. Die Aspekte begannen zusammenzuarbeiten. Im Interesse der Menschen – gegen die Qahiren. Das war das Bemerkenswerte an der Sache!
Bob Koenig war anwesend, als Bannister in seinem Quartier rematerialisierte. Er überfiel ihn mit Fragen. Ashley schilderte bereitwillig, was er erlebt hatte. Nur auf seine Begegnung mit Lukas ging er nicht ein. Das sollte vorerst sein Geheimnis bleiben. Noch war er seiner Sache nicht sicher; noch konnte selbst Lukas sich eines anderen besinnen. Er wollte niemandes Hoffnungen wecken. Die Enttäuschung wäre um so bitterer ausgefallen.
Es war früher Morgen in Manhattan. Die Zeit, die er auf Tajsas Domäne verbracht hatte, entsprach in etwa der objektiv verflossenen Zeit. In der Siedlung war es inzwischen ruhig zugegangen. Die Tortur
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