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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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großes, helles Zimmer, auf einen langen Tisch aus dunklem Holz, auf dem Kerzen in silbernen Ständern brannten. Wärme schlug mir entgegen und der Duft von Apfelkuchen, dem man zuviel Vanille zugesetzt hatte; es machte mir angst.
    „Komm rein, Mama! Es zieht.“ Er stellte den Koffer ab und hängte seinen Mantel an die Garderobe.
    Ich holte tief Luft und trat ein, Bernhard ließ die schwere hölzerne Tür hinter mir ins Schloß fallen, die Kerzen flackerten auf, und ich fühlte mich gefangen. Mehrere Türen gingen von diesem großen Raum ab, zwischen einigen Türrahmen waren Regale eingebaut, in denen ordentlich sortiert Bücher und allerlei Kleinzeug standen. In zwei Zimmer konnte ich hineinsehen. In einem stand ein großes, braunes Sofa, das andere sah aus wie eine Bibliothek oder ein Arbeitszimmer mit vollgestopften Bücherregalen, die sich bis zur Decke türmten. Geradeaus befand sich wohl die Küche, jedenfalls machte ich eine Waschmaschine aus und eine weiße Schrankwand. Ein surrendes Geräusch drang daraus hervor, wie das Gebläse eines Heizlüfters.
    „Edvard!“ rief mein Junge.
    „Ja, mein Süßer“, zirpte eine helle Stimme. Ich fuhr zusammen. „Ich komme sofort.“
    Ich schaute Bernhard an; sein Blick war starr auf die Küchentür gerichtet, bis ein junger Mann herauseilte. Wie ein Wirbelwind schoß er auf mich zu, schlüpfte dabei aus einer Schürze, und im Nu war die Leere, die Bernhard verbreitete, erfüllt von ihm.
    „Willkommen in unserem Heim, Frau Moll“, sagte er und legte seine Hände auf meinen Arm. Er trug Parfüm, zu viel für meinen Geschmack.
    „Mutter, das ist Edvard, mein Freund. Wir leben zusammen.“
    So, das war es dann, ja? „Mein Freund. Wir leben zusammen.“ Mehr nicht? Ich kam mir vor, als hätte mich jemand ausgesetzt und gesagt: „Das ist China.“ Ich wußte, wo ich es auf der Landkarte zu suchen hatte, ich wußte, daß man dort eine andere Sprache spricht, aber das hieß noch lange nicht, daß ich mich dort zurechtfand, daß ich die Menschen verstehen und überleben konnte.
    „Wollen Sie nicht ablegen?“ fragte dieser Edvard und nahm mir schon den Mantel ab. „Ich weiß nicht, ob Sie sich zuerst ein wenig frisch machen wollen oder lieber gleich Kaffee trinken? Ich habe auch ein Süppchen gekocht.“
    Dieser Edvard, er war viel zu braungebrannt für diese Jahreszeit, er sah aus, als käme er geradewegs vom Strand. Nur der Ansatz seines Ringfingers war weiß. Als er merkte, daß mein Blick daran hängenblieb, vergrub er die Hände in seinen Hosentaschen.
    „Aber was red ich? Wahrscheinlich wollen Sie sich erst mal umsehen“, sagte er, griff nach meiner Hand und zog mich in ihre Welt hinein.
    Ich taumelte, so überrumpelt fühlte ich mich. Nur das Retourticket in meiner Handtasche gab mir Halt. „Wenn es dir zuviel wird, kannst du jederzeit abfahren“, hatte Divja gesagt. Und sie hatte recht. Irgendwie würde ich den Bahnhof schon wiederfinden.
    „Das ist unser großes Zimmer“, erklärte Edvard und zog mich um den langen Tisch herum; mindestens zehn Personen konnten hier bequem dran sitzen. „Wir nennen es das Große, weil sich hier eigentlich alles abspielt.“ Er schaute mich an, zwinkerte. „Ähem, also fast alles. Es ist gleichzeitig der Flur, die Garderobe, die Verbindung zwischen allen Zimmern und nicht zuletzt“, er deutete mit einer ausladenden Geste auf den Tisch, „unser Eßzimmer. Hier sitzen wir meist mit unseren Gästen, und glauben Sie mir, wir haben ständig welche.“
    Seine Finger waren schlank und sehr beweglich; sie flirrten durch die Luft wie Kolibris. Er gestikulierte offensichtlich gern. Immer wieder legte er die Hand auf die Brust, nein, nur die Fingerspitzen, das Handgelenk spreizte er ab. Wenn ich von den widrigen Umständen unseres Zusammentreffens einmal absah, fand ich ihn eigentlich sehr charmant. Und so gepflegt.
    „Stellen Sie sich nur mal vor“, erklärte er, „dieser Tisch wurde von Mönchen geschnitzt. Schon vor fünfhundert Jahren haben sie daran gesessen und ihre Saufgelage abgehalten.“ Ein Schrecken legte sich plötzlich in sein Gesicht.
    Ich schaute zu meinem Sohn hinüber und sah, wie Bernhards Ausdruck von ernst zu aufgesetzt lächelnd wechselte.
    „Pardon“, sagte Edvard, hielt sich die Hand vor den Mund und hüstelte. „Sie haben hier gesessen und diniert. Vor fünfhundert Jahren! Ist das nicht herrlich? Mönche! Da schmeckt einem das Essen doch gleich viel besser. Nicht wahr?“
    An der Wand zwischen

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