Einem Tag in Paris
gottverdammte Mensch, den ich treffe, sagt in jedem Gespräch ›bof‹. Bof. Bof. Bof. Was heißt dieses bof?«
»Das kann man nicht übersetzen«, sagt Philippe.
»Was für ein Privatlehrer bist du denn?«
»Der beste.« Er lächelt sein teuflisches Lächeln. Das Hemd ist eindeutig nicht cool. Sein Glanz ist schmierig, nicht schick. Ich lerne allmählich, denkt Riley. Ich kenne vielleicht nicht viele Wörter, aber ich kenne meine Hemden.
»Und, hast du eine Freundin?«, fragt sie. In dieser entzückenden Bude, in der sie vorhin war, war keine feminine Note zu sehen gewesen, aber wer weiß? Das Mädchen könnte auf Bier stehen.
»Elle s’appelle Riley«, sagt Philippe.
»Das hast du falsch verstanden«, sagt sie zu ihm.
»Pourquoi pas?«
»Parce que ich habe dieses Liebesbündel in meinem Schoß, und das andere läuft dort drüben im Kreis.«
»Das ist nicht dieselbe Art Liebe.«
»Reden wir von Liebe?«
»Wir müssen nicht reden. Wir müssen lieben.«
»Du redest von S-e-x.«
»Faire l’amour. Liebe machen.«
»In unserem Land …«
»Du bist nicht in deinem Land.«
»Und in deinem Land sind Liebe und Sex dasselbe?«
»Vielleicht.«
»Scheiße, ich glaub’s nicht. Ich liebe diese Stadt.«
»C’est vrai?«
»Heute. In diesem Augenblick. Ich – Herz – Paris.«
Bei diesen Worten schenkt ihnen der Kellner den Wein ein, und sie stoßen an.
Der Himmel verdüstert sich; es sind wieder dichte schwarze Wolken aufgezogen. Riley schiebt sich ihre Monster-Sonnenbrille auf den Kopf hoch.
»Früher dachte ich, jedes Mal, wenn ich Sex hätte, würde ich den Typen lieben«, sagt sie zu Philippe. »Jetzt weiß ich es. Es ist der Sex, den ich liebe.«
»Aber es ist der Mann. Es ist immer der Mann.«
»Was ist immer der Mann?«
»Du hast ihn geliebt. Du hast mich geliebt.«
»Entschuldige, Charlie.«
Philippe blickt verwirrt.
»Das ist nur eine Redensart. Ich kenne deinen Namen.«
»Bon.« Philippe blickt unzufrieden, als hätte sie ihn in der Hitze der Leidenschaft mit dem falschen Namen angesprochen.
»Ich denke, du täuschst dich«, sagt Riley. »Du bist nichts Ernstes.«
»Je ne comprends pas.«
»Du hast dafür gesorgt, dass ich mich heute gut fühle. Danke. Aber das ist keine Liebe.«
»Wir brauchen einander. Wir alle. Wir können nicht allein sein.«
Riley sieht sich um. Philippe muss irgendeine Art Pariser Wahrheit aussprechen, zumindest für dieses Café. Nicht eine einzige alleinstehende Seele ist in Sicht. Das schmusende Paar sieht aus, als ob es bereit wäre, ein paar Bettlaken zu zerreißen.
»Jedenfalls, c’est fini. Ich werde morgen nicht für ein Nachmittagsvergnügen zu dir kommen. Falls du weißt, was ich meine.«
»Pourquoi pas? Vor ein paar Stunden warst du doch noch, wie sagt man, mit Leidenschaft dabei.«
»Aber jetzt bin ich nicht mit Leidenschaft dabei. Jetzt bin ich mit Kindern hier.«
Das kleinste dieser Kinder beginnt sich in seinem Tragetuch zu winden.
»Ich will sie nicht mitten im Café stillen«, murmelt Riley, während sie in ihrem Rucksack nach einem Schnuller kramt.
»Ich würde dich sehr gern stillen sehen.«
»Ja, das möchte ich wetten.«
»Amerikaner glauben an Gruppen«, sagt Philippe. »Ihr habt eure ganzen Gruppen für Auslandsamerikaner und eure Maman-Gruppen und eure Buchclub-Gruppen. Machen eure Gruppen euch nicht einsam?«
Riley schüttelt den Kopf. Ihr ist jedes Mal deutlich bewusst, wie einsam sie ist, wenn sie zu einem ihrer vielen Gruppentreffen in jemands Wohnung kommt und den Lärm so vieler Stimmen hört und das ganze aufgebaute Essen sieht und versucht, inmitten all dessen einen Platz für sich selbst zu finden.
Bei ihrem letzten Treffen von Auslandsamerikanern hat Riley versucht, sich mit jemandem anzufreunden. Während die meisten Frauen von den Positionen ihrer Ehemänner als Vorstandsvorsitzender der Weltbank oder Chefredakteur von Newsweek Europe oder Leiter von Apples internationaler Sparte prahlten, stellte sich eine schüchterne Frau mit den Worten vor: »Ich muss hier sein, während mein Mann in Paris spielt.« Riley nahm an, dass die Frau sich über den Typen lustig machte. Aber nein, er war der neue Erste Geiger des Pariser Symphonieorchesters.
»Wollen wir uns mal treffen?«, hatte Riley die Frau mutig gefragt. »Ich kenne hier nicht viele Leute.«
»Es tut mir leid«, hatte sie gesagt. »Aber solange ich hier bin, stürze ich mich in mein französisches Leben.«
Riley kam sich vor wie eine Außenseiterin in der
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