Einem Tag in Paris
Chantal unbeirrt. »Und ich suche selbst noch immer nach meiner Richtung.«
»Ich habe immer gewusst, was ich will«, sagt Jeremy zu ihr. »Ich wollte schon als Kind mit Holz arbeiten. Meinen ersten Job nach dem College hatte ich bei einem Bauunternehmer. Aber ich wollte keine neuen Dinge bauen. Das habe ich sehr schnell gelernt. Ich fühle mich zu alten Dingen hingezogen, zu kaputten Dingen. Es macht mir große Freude, ihnen ihre ursprüngliche Schönheit wiederzugeben.«
Chantal lächelt ihn an. »Das wundert mich nicht«, sagt sie. »Und Sie?«, fragt Jeremy. »Wozu fühlen Sie sich hingezogen?«
Im ersten Moment antwortet Chantal nicht. Schließlich zuckt sie die Schultern. »Sprache. Worte. Nein, nicht zum Unterrichten. Vielleicht werde ich eines Tages irgendetwas schreiben.«
»Gedichte?«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich erzähle meinem Neffen Geschichten, wenn ich ihn besuche. Von einem Hund, der viele Sprachen spricht. Es ist nicht sehr poetisch. Aber es ist eine gute Geschichte.«
»Kinderbücher.«
Chantal zuckt die Schultern. »Ich träume nur.«
»Das sollten Sie. Wir alle brauchen unsere Träume.«
»Im Augenblick muss ich erst einmal die Rechnungen bezahlen.«
Jeremy zuckt zusammen. Er bezahlt ihre Rechnungen. Eine grausame Erinnerung, dass das hier kein Date ist. Ist er so aus der Übung, dass er nicht mehr erkennen kann, ob eine Frau an ihm interessiert sein könnte? Bevor er Dana kennenlernte, wusste er, dass er eine Frau erobern konnte, wenn er wollte – er schenkte ihr einfach Aufmerksamkeit. Und er sah gut aus. Jetzt, zehn Jahre später, nimmt er an, dass er noch immer gut aussieht, auch wenn sein Haar grau meliert und sein Körper fülliger geworden ist. Frauen sehen noch immer in seine Richtung und versuchen manchmal, ihn zu bezirzen. Er ist nie auf irgendwelche dieser Flirtversuche eingegangen – er war in ein Leben gepurzelt, mit dem er nie gerechnet hatte, mit einer Frau und einem Kind, das er liebte.
Nichts hat sich verändert, sagt er sich. Es ist diese Woche in Paris, die ihn so verwirrt hat. Es ist der Streit mit Dana gestern Abend – ein seltener Streit –, der ihn so nervös macht.
Sie waren um zwei Uhr morgens durch Paris gelaufen, hatten das Angebot von Pascale, der Regisseurin, sie mitzunehmen, ausgeschlagen. »Wir werden zu Fuß gehen«, rief Dana ihren Bewunderern auf der anderen Straßenseite zu. »Ich will mit meinem gut aussehenden Mann allein sein. Und jetzt verschwindet alle!«
Nach ein oder zwei Blocks nahm sie Jeremys Arm und lehnte sich gegen ihn.
»Das ist es, was ich will«, sagte sie. »Dich.«
»Warum füllst du unser Leben dann mit so vielen anderen Leuten aus?«, fragte er.
»Das ist die Arbeit, mein Lieber. Das weißt du doch.« Ihre Stimme war schläfrig und betrunken; sie drückte sich an ihn.
»Ich sollte zu diesen Dreharbeiten nicht mitkommen«, sagte Jeremy. »Dabei habe ich jedes Mal das Gefühl, dich zu verlieren.«
»Das hast du noch nie gesagt.«
»Wir wollen so verschiedene Dinge.«
»Nein, das tun wir nicht. Wir wollen beide das hier.«
Sie hatte recht. Das wusste er jedes Mal, wenn sie allein zusammen waren, wenn ihre Körper im Bett einander fanden, wenn sie sich in ihrem Garten in Canyon an dem kleinen Tisch gegenübersaßen und eine Flasche Wein teilten. Aber in dem Restaurant an jenem Abend hatte Jeremy das Gefühl gehabt, einen Filmstar geheiratet zu haben. Er wollte Dana, nicht die Filmstar-Faszination.
»Ich habe eine Blase an der Ferse.« Dana bückte sich und rieb sich den Knöchel. »Ich kann in diesen verdammten Dingern nicht laufen.«
»Suchen wir uns ein Taxi.«
»Nein, lass uns zu Fuß gehen. Ich habe zu viel getrunken. Wir können am Kai entlanggehen. Der Paris Plage ist auf den Sommer eingestellt. Wir werden über die Uferpromenade schlendern. Wir werden eine Sandburg bauen. Wir werden so tun, als wären wir am Strand.«
»Es ist ein langer Weg. Du wirst dir die Füße ruinieren.«
»Das ist mir egal. Morgen werde ich einen Kater und kaputte Füße haben. Heute Abend werde ich meinen Kopf an deine Schulter legen.«
Jeremy schlang den Arm um sie.
»Werd mich nicht leid«, sagte sie leise.
»Ich bin den Lärm leid«, sagte er.
»Was denn für einen Lärm?« Sie blieb stehen und löste sich von ihm. Ihre Miene verhärtete sich, und sie zog ihren Schuh aus, hüpfte auf einem Fuß, bog die Sohle des Schuhs durch.
»Du wirst den Schuh ruinieren.«
»Was für einen Lärm? Wovon redest du denn?«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher