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Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Titel: Einen Stein für Danny Fisher: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Robbins
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versucht."
    "Aber Danny . . ." Mimi weinte an meiner Schulter. Ich wußte, was sie bewegte, warum sie weinte, aber es hatte jetzt alles keinen Sinn mehr. Sie weinte um etwas, das unwiederbringlich verloren war.
    Ich legte meinen Arm um ihre zuckenden Schultern und schritt mit ihr durchs Zimmer. "Bitte, Mimi, hör auf", flüsterte ich, "du machst alles nur noch schlim-
    Mir." ich führte sie zu der Couch, dann stellte ich mich neben Nellie. ich nahm sie bei der Hand und drehte mich wieder zu meiner Familie herum. "Der einzige Grund, weshalb ich heute abend gekommen bin, ist meine Frau hier", sagte ich leise, "sie hat geglaubt, wir müßten euch mitteilen, daß wir heute früh geheiratet haben."
    Ich sah ihre Gesichter, ihr Mienenspiel - den schmerzlichen Ausdruck meiner Mutter, den bewußt grimmigen meines Vaters. Mein Denken, mein Fühlen erstarrten vor Schmerz. "Sie war auch die einzige, die mich wirklich zurückhaben wollte", sagte ich rasch.
    ich wartete einen Augenblick, ob sie etwas sagen würden. Aber sie schwiegen. Nellies Familie hatte unsre Heirat ebensowenig gutgeheißen wie meine, sie hatten sich aber wie menschliche Wesen betragen. Meine Familie hatte nichts zu sagen, keinen Glückwunsch für uns - nichts.
    Meine innere Qual verflüchtigte sich jetzt blitzartig und hinterließ nichts als eine dumpfe, eisige Kälte. Ich küßte Mamma auf die Wange. Sie weinte. Dann küßte ich Mimi und blieb vor meinem Vater stehen. Seine Miene war bitter und maskenhaft. Ich ging an ihm vorbei, ohne ein Wort, ohne eine Bewegung.
    ich wälzte mich ruhelos in meinem Bett. Ich wußte, daß ich im Schlaf geweint hatte, aber jetzt war ich wach, und meine Augen waren trocken. Ich versuchte ganz still zu liegen, um Nellie nicht zu stören.
    Wir hatten uns schweigend in unserem kleinen Hotelzimmer ausgekleidet. Schließlich fragte ich mit einem etwas schiefen Lächeln: "Du hast doch die ganze Zeit gewußt, weshalb ich sie nicht besuchen wollte, nicht wahr?"
    Sie nickte stumm.
    "Und doch hast du mich gezwungen, hinzugehen", meine Stimme klang bitter.
    Sie legte ihre Hände auf meine Schultern und sah mir in die Augen. "Du hast gehen müssen, Danny", sagte sie sehr ernst, "sonst wäre es vielleicht unser ganzes Leben lang zwischen uns gestanden. Du hast es selbst erleben müssen."
    Ich wandte mich mit hängenden Schultern von ihr ab. "Nun, jetzt habe ich es ja erlebt!"
    Sie kam mir nach und klammerte sich an meinen Arm. "Jetzt ist's vorbei, und du kannst es vergessen."
    "Vergessen?" Ich begann zu lachen. Es gab Dinge, von denen sie nichts wußte. "Wie kann ich vergessen? All die Dinge, die wir gemeinsam erlebt haben ... unsre Hoffnungen, unsre Sorgen, das Gute und das Böse. Dir fällt's leicht, zu sagen: vergiß! Aber wie kann ich das? Kann ich ihr Blut aus mir fließen lassen? Etwa in ein Waschbecken und hinunter durchs Abflußrohr und für immer aus meinem Leben? Das Gute und das Böse, wie kann ich's je vergessen? Kann man seine eigenen Eltern vergessen? Bedeutet Recht oder Unrecht mehr als das Fleisch und Blut, das uns miteinander verbindet?"
    "Nein, Danny, du verstehst mich nicht." Ihre Stimme klang flehentlich.
    Das ist's ja nicht, was du vergessen sollst. Dessen sollst du dich immer erinnern. Es ist der Schmerz, den du vergessen sollst, der Schmerz, der dich in einen Fremden verwandeln würde. Der Schmerz, der dich hart, bitter und böse werden ließ, so wie du's jetzt bist!"
    Ich verstand sie nicht. "Wie kann ich das vergessen?" fragte ich hilflos. "Es gehört doch dazu."
    "Nein, Danny, du irrst", rief sie, drückte sich dicht an mich und küßte mich auf den Mund, "es ist etwas ganz anderes. Ich werde alles tun, um dich deinen Schmerz vergessen zu lassen, ich werde alles tun, damit du dich nur noch an das Gute erinnerst."
    Ich starrte sie an. "Wie könnte das irgend jemandem gelingen?"
    "Mir wird es gelingen, ich weiß, daß ich es will und daß ich es kann", flüsterte sie und sah mit tiefernsten Augen zu mir auf. "Meine Liebe für dich ist so groß, mein Gatte, daß du die Liebe andrer Menschen nie entbehren wirst."
    Da verstand ich sie. Ich ergriff ihre beiden Hände und preßte ihre Handflächen dankbar an meine Lippen. Sie hatte mir ein Versprechen gegeben, und ich wußte, daß sie es halten würde. Ich wußte, daß ich in den kommenden Tagen, ob gut oder böse, bei ihr Trost und Kraft finden und, was immer auch geschehen mag, nie wieder allein sein würde.

Umzugstag  15. September 1936
    Die hölzernen Stufen

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