Einer kam durch
Fußboden. Es roch wie in einem frisch aufgeworfenen Acker. Auch der Dümmste würde erkennen, welches Spiel hier gespielt wurde.
Während der Arbeit waren die beiden ›Ausschachter‹ allein in dem Raum. Sie hatten den Nachschlüssel im Schloß umgedreht. Wenn jemand sie besuchen wollte, mußte er ein Kennwort nennen.
Werra arbeitete noch an dem Spind, als sich Schritte näherten.
Eine Stimme vor der Tür sagte dumpf: »Open the door, quick!«
»Nichts sagen«, flüsterte Werra. Manhart nickte mit zusammengepressten Lippen. Jemand klopfte an die Tür. Jemand nannte das Kennwort. Unterdrücktes Gelächter wurde laut. Zögernd drehte Werra den Schlüssel um. Die Tür öffnete sich, das grinsende Gesicht Hauptmann Cramers erschien in dem Spalt.
»Was sollen diese dummen Scherze?« schimpfte Manhart.
»Kinder«, sagte Cramer, »macht das nie wieder. Das ist gerade eben noch mal gut gegangen. Ihr hättet beinahe einen Soldaten seiner Majestät des Königs ums Leben gebracht.«
»Wir?«
»Es hörte sich scheußlich an. Wie ein beginnendes Erdbeben. Der Posten hängte seinen Leib so weit über die Brüstung des Wachtturms, daß er um ein Haar heruntergekippt wäre. Was treibt ihr da unter der Erde?«
»Werra wollte einen Sandsteinbrocken sprengen, der im Weg liegt. Mit einem Stemmeisen.«
»Noch eine Minute länger, und der Posten hätte Großalarm gegeben!«
Über ihnen begann der Männergesangverein Swanwick seine Tätigkeit. Er sang nicht schön, aber er beruhigte den britischen Posten auf dem Wachtturm und lenkte seine Gedanken von dem Erdbeben ab, das er eben gehört hatte.
Sie waren noch einmal davongekommen, aber das wußten sie nun: so unbesorgt ging es nicht weiter. Die einzige Lösung war, daß man genügend Krach über der Erde inszenierte, damit das unvermeidliche Geräusch unter der Erde verdeckt würde.
Wie macht man Krach, ohne daß die Tommies Verdacht schöpfen?
»Dauerskat im Eckzimmer gegenüber dem Turm«, schlug Manhart vor, »aber die Jungs müssen ordentlich kloppen, mit der Faust auf'n Tisch, und das bei offenem Fenster!«
»Da sollten wir lieber eine Tanzgruppe aufstellen, so mit Schuhplattler und Step!« meinte Wagner, der sich als Österreicher gleich anbot, einen lautstarken steirerischen Volkstanz einzustudieren.
»Mensch, Wagner, wir sind doch kein Mädchenpensionat«, fuhr Werra dazwischen, »so 'ne Hopserei kaufen uns doch selbst die Engländer nicht ab. Der Gesangverein ist immer noch das beste … Karlchen, hol mal Leutnant Gipsbein!«
Leutnant Bein, der Stukapilot mit dem Gipsverband am Schenkel, humpelte herein und hörte sich an, was Werra von ihm wollte. »Kann gemacht werden!« sagte er, »Sängerkrieg auf der Wartburg, jeden Vormittag genau nach dem Frühstück. Ordentlich laut! Geht in Ordnung!«
Hauptmann Cramer schloß die Sitzung. »Jeder Vorschlag hat was für sich, aber eine Methode allein wird immer auffallen. Werra, machen Sie einen richtigen Stundenplan, die Tommies sollen sich über Mangel an Abwechslung nicht beklagen können!«
Werra nahm die Sache in die Hand.
Acht vertrauenerweckende U-Bootmänner versprachen, ihre Dauerskatsitzungen in dem Eckzimmer abzuhalten und dabei weder die Fäuste noch die Stimmen zu schonen. Einige gehörten bereits dem ›Rollkommando‹ an, das im Fall äußerster Gefahr zur Tarnung eine handfeste Prügelei vor dem Tunnelzimmer inszenieren sollte. Während ihrer langen Unterwasserfahrten hatten die U-Bootleute große Routine im Skatspiel entwickelt. Das einzige, was sie dabei gestört hatte, war die Vorschrift gewesen, auf Fernfahrt lautlos zu spielen. Jetzt wurden sie dienstlich verpflichtet, Skat mit Krach zu verbinden.
Am anderen Morgen wurde die Arbeit im Stollen fortgesetzt. Es gelang Werra und Manhart, die Steinbrocken zu unterwühlen, so daß sie immer tiefer sanken und schließlich den Weg freigaben.
Für die englischen Turmwachen aber begann eine Zeit der Nervosität. Sie waren friedliche Familienväter, die man zum Kriegsdienst geholt hatte, ohne zu fragen, ob sie Lust dazu verspürten. Immerhin, der Dienst im Lager war schon zu ertragen, und mit den Gefangenen kam man soweit ganz gut aus. Nur einen Fehler hatten diese Deutschen, und der wurde jeden Tag spürbarer; sie waren ein unangenehm lautes Volk. Kaum hatte der Tag begonnen, so begannen sie zu spielen, zu fluchen und zu singen. Einen normalen Verkehrston schien es bei ihnen nicht zu geben. Wer einem anderen etwas mitzuteilen hatte, tat es mit
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