Eines Greifen Ei
einander an, von ausdruckslosem Visier zu ausdruckslosem Visier. Mit krampfhafter Begeisterung in der Stimme sagte Gunther: »He, ehrlich? Ohne Quatsch? Herzlichen Glü ...«
Ein kreischendes statisches Geräusch heulte aus dem Nichts auf. Gunther zuckte zusammen und drehte den Verstärker herunter. »Mein blöder Lautsprecher ist ...«
Einer der anderen beiden - sie waren jetzt dicht nebeneinander, und er konnte sie aus dieser Entfernung nicht auseinanderhalten - deutete nach oben. Gunther legte den Kopf in den Nacken, um zur Erde hochzublicken. Im ersten Moment war er sich nicht sicher, wonach er schaute. Dann sah er es: eine diamantförmige Lichtspitze mitten in der Nacht. Sie war wie ein kleines, strahlendes Loch in der Realität, irgendwo im kontinentalen Asien. »Was, zum Teufel, ist das denn?« fragte er.
Leise sagte Hiro: »Ich glaube, das ist Wladiwostok.«
ALS SIE SICH WIEDER ÜBER dem Sinus Medii befanden, war das erste Licht inzwischen rot geworden und verblaßt, aber zwei weitere waren aufgeblüht. Der Verlautbarungsmensch beim Observatorium machte Überstunden, um aus den Berichten der Pressestellen der wichtigsten Institutionen eine Montage aus Gerüchten und Angst zu basteln. Im Radio kamen andauernd Meldungen über Angriffe auf Seoul und Buenos Aires. Diese Nachrichten schienen bestätigt zu sein. Über Schläge gegen Panama, den Irak, Denver und Kairo gab es widersprüchliche Darstellungen. Eine Stealth-Rakete war über Hokkaido geflogen und ins Japanische Meer abgeleitet worden. Die Schweizer Orbitalgesellschaft hatte einige Produktionsstätten durch Splittersatelliten verloren. Es gab keine einheitliche Meinung darüber, wer der Angreifer gewesen war, der zuerst losgeschlagen hatte, doch die meisten Verdächtigungen zielten in eine Richtung. Doch Tokio stritt alles ab.
Gunther war überaus beeindruckt vom Kommentar eines britischen Videojournalisten, der sagte, daß es keine Rolle spielte, wer den ersten Schuß abgefeuert habe, und warum. »Wem sollen wir die Schuld geben? Der Süd-Allianz, Tokio, General Kim oder möglicherweise irgendeiner Terroristengruppe, von der noch nie jemand gehört hat? In einer Welt, deren Waffen durch haarfeine Drähte ausgelöst werden können, ist diese Frage irrelevant. Als die erste Bombe explodierte, aktivierte sie selbständige Programme, die das in Gang setzten, was offiziell als angemessene Gegenmaßnahmen etikettiert ist. Selbst Gorschow persönlich hätte das nicht verhindern können. Seine taktischen Programme wählten die drei wahrscheinlichsten Angreifer dieser Woche aus - von denen mindestens zwei mit Sicherheit unschuldig waren - und lösten den Gegenschlag aus. Menschliche Wesen hatten dabei nichts zu melden.
Diese drei Nationen hatten wiederum ihre eigenen automatischen ›angemessenen Gegenmaßnahmen‹ programmiert. Deren Folgen erfahren wir gerade nach und nach. Jetzt tritt eine fünftägige Pause ein, während derer alle beteiligten Seiten verhandeln werden. Wieso ist uns das bekannt? Abstrakte Informationen über alle wichtigen Verteidigungsprogramme sind über jedes öffentliche Datennetz zugänglich. Sie sind kein Geheimnis. Offenheit ist tatsächlich das A und O der Abschreckung.
Wir haben fünf Tage, um einen Krieg abzuwenden, den buchstäblich niemand will. Die Frage ist, wird es den militärischen und politischen Mächten gelingen, innerhalb von fünf Tagen die Herrschaft über ihre Verteidigungsprogramme zu erlangen? Können und wollen sie das schaffen? Bedenkt man den Schmerz und die Wut, die bei alledem im Spiel sind, den traditionellen Haß, die religiösen Gegensätze, den nationalen Chauvinismus und die natürlichen Reaktionen derer, die geliebte Menschen unter den bisherigen Todesopfern zu beklagen haben, können dann die Zuständigen ihre eigene Natur rechtzeitig überwinden, um den endgültigen und totalen Krieg zu verhindern? Nach besten Informationen lautet unsere Vermutung: nein. Nein, sie können es nicht.
Gute Nacht, und möge Gotte uns allen gnädig sein.«
Sie flogen schweigend nach Norden. Selbst als die Sendung unvermittelt abbrach, ergriff niemand das Wort. Das Ende der Welt war gekommen, und es gab nichts zu sagen, das angesichts dieser Tatsache nicht zur Bedeutungslosigkeit schrumpfte. Sie strebten einfach nach Hause.
Die Landschaft um Bootstrap herum war mit Graffiti gesprenkelt, großen Blockbuchstaben, die auf den Felsen prangten KARL OPS - EINDHOVEN '49 und LOUISE MCTIGHE ALBUQUERQUE NM. Ein gewaltiges
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