Eines Greifen Ei
seinem Haus einen grünen Stab gäbe, der, wenn er erst einmal gefunden würde, bewirkte, daß alle Menschen einander liebten. Ich glaube an diesen grünen Stab als Grundprinzip der physischen Existenz. Das Universum besteht aus einer Urform von vier Dimensionen, die wir wahrnehmen können, sowie sieben, die wir nicht wahrnehmen können, und deshalb sind für uns Frieden und Brüderlichkeit ein Phänomen wie ein siebendimensionaler grüner Stab.«
»Sie müssen auf mich hören.«
»Warum? Wollen Sie mir erzählen, daß Hitler tot ist? Ich glaube nicht an solchen Unsinn.«
»Du lieber Himmel«, sagte Liza Nagerda. »Du kannst mit einer Irren nicht diskutieren. Pack sie einfach bei den Armen, und dann schleppen wir sie hinaus.«
Das war allerdings nicht so leicht. Die Frau hatte Angst vor ihnen. Immer, wenn sie sich ihr näherten, wich sie voller Furcht zurück. Wenn sie sich langsam bewegten, konnten sie sie nicht in die Ecke treiben, und wenn sie beide sie schnell umzingelten, dann krabbelte sie über einen Schreibtisch und duckte sich unter ihn zwischen die Seitenteile. Liza Nagenda packte ihre Beine und zog daran. Die Frau heulte auf und umklammerte die Knieteile von Lizas Anzugs. »Lassen Sie mich los«, fauchte diese. »Gunther, zieh dieses verdammte verrückte Weib von meinen Beinen weg.«
»Töten Sie mich nicht!« schrie die Frau. »Ich habe stets zweimal gewählt - Sie wissen, daß es so ist. Ich habe denen erzählt, Sie seien Verbrecher, aber ich habe mich geirrt. Saugen Sie nicht den Sauerstoff aus meiner Lunge!«
Sie brachten die Frau schließlich aus dem Büro, verloren sie dann aber wieder, als Gunther sich umdrehte, um die Tür abzuschließen. Sie hastete mit flatternder Gliedern durch den Korridor, dicht gefolgt von Liza Nagenda. Dann tauchte sie in einem anderen Büro unter, und dasselbe Spiel begann von neuem.
Es dauerte länger als eine Stunde, die Frau aus dem Korridor zu treiben und sie in den Park zu entlassen. Dagegen ging es mit den nächsten drei recht schnell. Dann kam wieder ein schwieriger Fall, und beim fünften stellte sich heraus, daß es sich um die erste Frau handelte, mit der sie zu tun gehabt hatten, die zurückgekommen war und immer noch ihr Büro suchte. Als sie sie zum zweitenmal ins Freie geschafft hatten, sagte Liza Nagenda: »Damit sind vier Irre erledigt, und achthundertachtundfünfzig stehen uns noch bevor.«
»Hör zu ...«, setzte Gunther an. Dann ertönte Krishnas Stimme aus seinem Mentalkom-Chip, gespreizt und mit übertriebener Deutlichkeit. »Alle haben sich unverzüglich zum Zentralsee für eine Organisationsbesprechung zu begeben. Ich wiederhole: Sofort zum See! Sofort zum See!« Offenbar sprach er über einen überwachten Sender. Der Ton war schlecht, und seine Stimme schwankte auf und ab.
»Schon gut, okay. Ich habe verstanden«, sagte Liza. »Du kannst jetzt den Mund halten.«
»Alle werden ersucht, sich sofort zum See zu begeben. Jeder muß auf direktem Weg zum Zentral ...«
»Pscht!«
Als sie wieder im Parkgelände ankamen, wimmelte es auf den freien Flächen inzwischen von Leuten. Und keinesfalls nur von den Anzuggestalten. Alle Betroffenen strömten ebenfalls aus den Höhlen und Gängen von Bootstrap herbei. Sie marschierten blindlings, unsicher auf den See zu, wie soeben aus dem Grab auferstanden. Die untere Ebene füllte sich mit Menschen.
»Verdammt!« sagte Gunther versonnen.
»Gunther?« fragte Liza Nagenda. »Was ist los?«
»Die Mentalkom-Chips sind die Lösung! Verdammt, wir hätten nur über die Chips mit ihnen sprechen müssen. Sie tun alles, was ihnen die Stimme in ihrem Kopf eingibt.«
Das Gelände um den See herum war so bevölkert, daß Gunther Mühe hatte, irgendwelche anderen Anzüge zu entdecken. Dann sah er eine Gestalt im Anzug, die am Rand der zweiten Ebene stand und heftig winkte. Er winkte zurück und machte sich auf den Weg zur Treppe.
Als er zur zweiten Ebene kam, hatte sich bereits eine dichte Gruppe von Nichtbetroffenen zusammengefunden. Immer weitere kamen hinzu, angezogen von dem gehäuften Auftreten von Anzügen. Schließlich richtete Ekatarina über den offenen Kanal ihrer Sprechanlage das Wort an sie.
»Es besteht keine Veranlassung für uns zu warten, bis sich alle eingefunden haben. Ich glaube, alle sind nah genug, um mich hören zu können. Setzen Sie sich, ruhen Sie sich ein bißchen aus, Sie haben es verdient.« Die Leute ließen sich im Gras nieder. Einige streckten sich auf dem Rücken oder dem Bauch aus,
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