Eines Tages geht der Rabbi
Nase war noch zu, aber mein Kopf war völlig klar. Als ich zur Glen Lane kam, bog ich dort ein, weil ich dachte, ich könnte ein paar Minuten sparen. Die Straße ist stockdunkel, und ich schaltete mein Fernlicht ein. Als ich zu der höchsten Stelle kam, geriet ich in ein Schlagloch. Wenn das Fernlicht an ist, kann man die Fahrbahn schlecht erkennen …»
«Das stimmt.»
«Aber der vordere Teil des Wagens wippte auf und ab. Vielleicht brauche ich neue Stoßdämpfer. Jedenfalls habe ich dadurch zufällig den Mann gesehen. Durch das Wippen.»
«‹… durch das Wippen.› Und was haben Sie dann gemacht?»
«Ich stieg auf die Bremse und kam etwa sechs, acht Meter hinter ihm zum Stehen. Ich stieg aus –»
«Hatten Sie den Motor abgestellt?»
«Ich – ja, muß ich wohl. Nein, jetzt weiß ich’s wieder, ich hab den Automatikhebel nur auf Parken geschoben.»
«Erzählen Sie weiter.»
«Ich ging die paar Schritte zurück und hockte mich neben den Mann. Und dann sah ich die Scherben. Da ist mir natürlich ein Stein vom Herzen gefallen, einen Augenblick hatte ich nämlich gedacht, ich hätte ihn womöglich umgefahren. Aber meine Scheinwerfer brannten beide noch, also konnte ich es nicht gewesen sein.»
«Wie konnten Sie überhaupt etwas sehen, wenn es so dunkel war und Ihre Scheinwerfer in die andere Richtung strahlten?»
«Die Rücklichter machten die Straßen ein bißchen hell. Toll war’s nicht, aber es reichte.»
«Und was haben Sie dann gemacht?»
«Eigentlich gar nichts. Oder doch. Ich hab ihn angesprochen, hab ihn gefragt, ob er mich hören kann, aber ich habe mich gehütet, ihn anzurühren. Transportieren wollte ich ihn nicht, wenn was gebrochen ist, macht man damit alles nur noch schlimmer. Und daß es sich um Fahrerflucht handelte, war mir klar, deshalb war ich auch darauf bedacht, keine Spuren zu verwischen. Auf so was sind wir Anwälte ja gedrillt. Wäre es anderswo passiert, hätte ich, versucht, einen Wagen anzuhalten, aber in der Glen Lane und mitten in der Nacht … Also setzte ich mich wieder ans Steuer und machte mich auf den Weg zum nächsten Telefon. Ich wollte irgendwo unterwegs klingeln, aber außer bei Rabbi Small brannte nirgends Licht. Der bleibt wohl immer lange auf.»
«Und warum haben Sie nicht von dort aus angerufen?»
«Das hatte ich eigentlich vor, aber dann habe ich überlegt, daß Ihre Leute mich vielleicht bitten könnten, beim Rabbi zu warten oder daß er mich in ein Gespräch verwickeln könnte, und ich wollte nur noch ins Bett. Außerdem waren es von dort nur noch ein paar Minuten bis zu mir. Na, und als ich gerade in die Main Street einbiegen wollte, sah ich dann die Cops in dem Streifenwagen. Ich winkte sie heran und sagte ihnen Bescheid.»
Lanigan schrieb noch ein, zwei Minuten, dann sah er auf und lächelte. «Ja, das war’s dann wohl. Ich lasse es tippen, und wenn alles in Ordnung ist, würde ich Sie bitten zu unterschreiben.»
Später sagte er zu Jennings: «Hab ich dir genug Zeit gegeben? Hast du was gefunden?»
«Ja, Zeit hatte ich genug. Ich hab Abdrücke von der Motorhaube und den Kotflügeln genommen. Möglicherweise seine oder die seiner Frau oder eines Tankwarts. Ich schick sie mal ein. Könnte sein, daß einer mit den Abdrücken übereinstimmt, die wir an dem Toten gefunden haben. Ich habe auch ein paar Fasern mitgegeben, wir können sie mit dem Material aus der Jacke des Opfers vergleichen. Beulen habe ich nicht entdeckt. Hat er was gewittert?»
Lanigan schüttelte den Kopf. «Was hätte er wittern sollen?»
37
Meyer Andelman war entsetzt, als er von Howard Magnusons möglichem Rücktritt hörte. Er hatte nicht nur mit einer großzügigen Spende Magnusons für den jüdischen Wohlfahrtsverband gerechnet, sondern auch gehofft, daß er damit andere zu größerer Spendenfreudigkeit anregen würde.
«Meinst du, er würde nur den Vorsitz aufgeben oder sich überhaupt aus der Synagoge zurückziehen?» fragte er besorgt.
«Bisher war nur vom Vorsitz die Rede», sagte Morris Halperin. «Vorstandsmitglied würde er wohl bleiben.»
«Das glaubst du doch wohl selber nicht. Wenn er den Vorsitz aufgibt, weil er Zores mit dem Rabbi hatte, geht er ganz aus dem Vorstand raus, darauf kannst du Gift nehmen. Aber auch wenn er bleibt – bei den Sitzungen werden wir ihn bestimmt nicht mehr sehen.»
«Mag sein», sagte Halperin. «Aber so, wie’s jetzt aussieht, müssen wir zwischen ihm und dem Rabbi wählen.»
«So, müssen wir das? Na, dann will ich dir mal was
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