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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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sagen. Ich bin für Magnuson. Rabbis gibt’s wie Sand am Meer. Aber wo kriegen wir schon einen zweiten Millionär wie Magnuson her? Für unseren Vorstand ist er ein echtes Plus. Ich hab nichts gegen unseren Rabbi, auch wenn er ein kalter Fisch ist und manchmal tut, als wäre er der liebe Gott persönlich, aber wenn du mich vor die Wahl stellst, brauche ich nicht lange zu überlegen.»
    «Aber es ist keine Abstimmungsfrage, Meyer.»
    «Nein?»
    «Na ja, wie man’s nimmt. Wenn Howard einen Rabbi von außerhalb für die Hochzeit seiner Tochter holt – auch wenn er sie bei sich zu Hause feiert –, tritt der Rabbi garantiert zurück. Aber–» Er hielt belehrend den Finger hoch. «– er würde vor der ganzen Gemeinde seine Gründe für den Rücktritt darlegen. Und das möchte Howard vermeiden, weil er meint, es könnte zu einer Spaltung führen.»
    «Finde ich sehr anständig von ihm. Will lieber zurücktreten als Ärger machen. Ich sag dir was: Trennen wir uns von dem Rabbi. Irgendwas findet sich da schon. Vernachlässigung seiner Pflichten. Oder wir sagen, daß wir einfach mal ein anderes Gesicht sehen wollen. Vor ein paar Jahren haben wir ihm einen Vertrag auf Lebenszeit angeboten, den hat er ausgeschlagen. Er wollte gehen können, wann er will. Warum also sollen wir uns nicht auch einen anderen suchen, wenn wir Lust dazu haben? Dann würde er sich bestimmt nicht an die Gemeinde wenden, wie? Was soll er schon sagen? Die Leute vom Vorstand haben mich gefeuert, weil sie die Nase voll von mir haben, aber ich nehm ihnen das nicht ab …»
    Halperin nickte. «Gute Idee. Aber behalt es noch für dich, ich will erst noch mit ein paar anderen Leuten sprechen.»
    «Alles klar. Sag mal, ist nicht dein Bruder Rabbi?»
    «Ja. Warum?»
    «Vielleicht interessiert ihn der Job.»
     
    Oscar Stein hatte großes Verständnis für Magnuson. «Als meine kleine Schwester mir eröffnete, daß sie einen Goj heiraten wollte, war ich natürlich ein bißchen geschockt, aber hauptsächlich deshalb, weil ich wußte, wie meine Eltern reagieren würden. Sie waren ganz schön sauer, besonders meine Mutter. Sie sind nicht zur Hochzeit gekommen. Hochzeit, was red ich … Zum Standesamt in Salem hab ich sie begleitet, und danach haben wir zusammen gegessen. Hätten wir einen Rabbi kriegen können, hätten meine Eltern eine Haustrauung gemacht, und dann wäre alles für sie lange nicht mehr so schlimm gewesen. Sie mögen den Mann nämlich, feiner Mensch. Ich hab mit unserem Rabbi drüber gesprochen, aber da war nichts zu machen. Aus seiner Sicht konnte er wohl nicht anders handeln. Ich hab mich deswegen nicht mit ihm angelegt, aber ich hab mir damals gedacht, daß man da eigentlich eine Regelung finden müßte, weil so was jetzt furchtbar oft passiert. Manche Rabbis machen es doch. Wenn manche es machen, muß es doch einen Spielraum bei der Entscheidung geben. Ich meine, wenn es glattweg verboten wäre – wie kämen dann die anderen damit zurecht? Daß einer deswegen seine Rabbiwürde losgeworden wäre, hab ich noch nie gehört. Vielleicht nimmt’s unser Rabbi einfach ein bißchen zu genau.»
    «Viele sind ganz deiner Meinung, Oscar», sagte Halperin. «Und ich habe gehört, daß dagegen was unternommen werden soll.»
    «So? Was denn?»
    «Zum Beispiel könnten wir uns nach einem anderen Rabbi umsehen. Rabbi Small hat sich immer nur einen Jahresvertrag geben lassen, damit er gehen kann, wann er will, und was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Und wenn unser Präsident doch mit ihm nicht klarkommt, könnten wir’s doch auch mal mit einem anderen Rabbi probieren.»
    «Hört sich vernünftig an.»
     
    Malcolm Kovner sagte: «Vielleicht hat der Rabbi recht, vielleicht auch nicht, das ist seine Sache, er wird sich ja wohl in seinem Geschäft auskennen. Aber daß er Magnuson gesagt hat, er soll zurücktreten, das war nicht seine Sache. Das war ein eindeutiger Patzer. Wenn Magnuson es geschluckt hätte, wär’s immer noch ein Patzer, aber es würde uns nichts angehen. Oder vielleicht doch, aber wahrscheinlich hätten wir nichts unternommen, wenn Magnuson es nicht krummgenommen hätte. Aber wenn Magnuson sagt, daß er zurücktreten will, müssen wir einfach was tun. Magnuson ist einer von uns, im Gegensatz zum Rabbi.»
    «Wie meinst du das, Al?»
    «Will ich dir sagen, Morris. Bei uns in den Staaten haben wir drei Gewalten – die Exekutive, den Kongreß und die Justiz.» Er zählte sie an den Fingern auf. «Sie sind getrennt, aber

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