Einfach bezaubernd

wäre. Stattdessen brachte er sie mitten auf dem Gehweg zum Stehen und hielt sie noch immer an den Händen. Einer der Skateboard-Fahrer hätte sie um ein Haar über den Haufen gefahren und bedachte sie mit grellen Flüchen.
    »Meine Schwester Lizzie verwandelt Tafelsilber in Schuhe«, fuhr Dee möglichst sachlich fort. »Meine Schwester Mare kann Möbelstücke umstellen, ohne ihre Hände zu benützen. Meine Mutter konnte in die Zukunft sehen, und Xan kann … na ja, du hast heute Morgen selbst gesehen, was sie kann. Wir haben diese Fähigkeiten seit unserer Kindheit. Genau genommen seit der Pubertät. Bei Frauen fängt es dann an und verschwindet … oder ändert sich mit den Wechseljahren. Ich glaube, das ist der Grund, warum meine Tante Xan wieder auf dem Kriegspfad
ist. Sie ist jetzt ungefähr in diesem Alter, und ich glaube, sie hat Angst.«
    Danny blickte sie verwirrt lächelnd an. »Alles, was sie heute Morgen getan hat, war, mich dazu zu überreden, dich zu treffen.«
    »Sie war aber nicht wirklich dort, Danny«, widersprach Dee. »Egal, wie es ausgesehen hat. Es war reine Suggestion. Xan ist Meisterin, was Fantasiebilder betrifft.«
    »Und du, äh, du verwandelst dich in …«
    Sie rieb sich mit einem Finger zwischen den Augen, wo der Rest ihrer Kopfschmerzen saß. »Unterschiedlich. Ich arbeite noch daran, es unter Kontrolle zu kriegen. Als du gestern Morgen zu uns kamst, saß auf dem Tisch die Eule. Erinnerst du dich?«
    Sein Lächeln war inzwischen vollständig verschwunden. Er blickte nur noch nervös drein. »Jaa?«
    Sie lächelte gezwungen. »Huii, huii.«
    Brandon Upshot kam auf seiner Zeitungstour an ihnen vorbei und hätte Danny beinahe eine Ausgabe der Salem Times an den Kopf geworfen. Danny bemerkte es nicht.
    Dann grinste er plötzlich, als wäre das der beste Witz des Jahrhunderts. »Natürlich, das warst du. Und ich …«
    Dee zog ihre Hand zurück. Er hätte wenigstens einen ernsthaften Versuch machen können. Sie marschierte schon heimwärts, als er sie einholte und festhielt – unglücklicherweise an ihrer rechten Schulter, was ihr einen Schmerzensschrei entlockte.
    »Was hast du?«, fragte er.
    »Nichts. Ich finde einfach, es ist Zeit für mich, nach Hause zu gehen.« Vor allem, da ihre Schulter in dem Augenblick, als er sie berührte, angefangen hatte zu brennen. Vielleicht sollte sich das jemand ansehen.
    »Nein, wirklich«, beharrte er stirnrunzelnd. »Hast du dich verletzt?«

    Und bevor sie protestieren konnte, schob er ihr die Strickjacke und das T-Shirt so weit über die Schulter hinunter, dass sie errötete.
    »Dee?«
    »Ja«, stieß sie schnippisch hervor, »ein Schmetterling. Ein Symbol für, ach, ich weiß nicht. Hat den Mut, zu fliegen. Na ja, ich fliege dauernd. Dazu brauche ich kein Insekt auf meinem Rücken. Ich bin wahrscheinlich der einzige Falke mit einem Schmetterling auf dem Rücken. Die anderen Falken werden mich auslachen.«
    Danny lächelte. »Der ist wunderschön. So zierlich. Und die Farbe gefällt mir.«
    Dee verdrehte sich und versuchte, auf ihren Rücken zu blicken. »Farbe? Er ist schwarz.«
    »Er ist grün.«
    Daraufhin schüttelte Dee den Kopf. »Natürlich.«
    Sie zupfte ihre Kleidung wieder zurecht. »Wir sind vom Thema abgekommen, Danny. Entweder du nimmst mich ernst, oder ich gehe allein nach Hause.«
    Er zögerte ein wenig, fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Du verlangst eine ganze Menge, Dee.«
    »Ich weiß.« Sie verlangte alles. »Du musst mir glauben. Willst du mit zum Haus kommen?«
    »Natürlich.«
    Sie nickte zustimmend. Er ergriff wieder ihre Hand, und sie setzten ihren Weg fort. Die Bäume begannen, sich zu krümmen, sobald sie an ihnen vorbeikamen, und Dee nahm den Geruch von gemähtem Gras und von bevorstehendem Regen wahr. Selbst die Luft war in Aufruhr, als hätte Mare mit den Fingern geschnipst. Dee lief ein Schauder über den Rücken.
    Als sie das Haus erreichten, war es dunkel und verlassen. Anscheinend hatte Lizzie sauber gemacht, denn es war alles fein säuberlich an seinem Platz. Das Einzige, was Dee hörte, war das Pulsieren absoluter Stille.

    Und doch war da etwas anders als sonst. Still. Dee blieb mitten im Esszimmer stehen und lauschte, aber sie hörte nichts außer dem Echo ihrer eigenen Schritte auf dem Parkett. Sie überlegte, ob sie rufen sollte, aber Lizzies Tür war geschlossen. Sie warf einen scharfen Blick in alle dunklen Ecken, ohne etwas zu entdecken. Sie schnüffelte.
    Ah, das war es. Der Geruch von Macht in der