Einfach bezaubernd
eigentliches Vorhaben dabei so weit vergessen, dass Dee fast den Eindruck gewinnen konnte, er hätte sie zum Abendessen eingeladen, weil ihm etwas daran lag, mit ihr zusammen zu sein.
Er wischte sich abschließend die Hände an der rot-weiß gewürfelten Serviette ab. »Ja, das war wunderbar«, meinte er und lehnte sich zurück. »Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt so gut zu Abend gegessen habe. Es ist nicht leicht, in Frankreich gute Hamburger zu bekommen.«
Dee blickte von den unordentlichen Resten des Salats auf ihrem Teller auf. »Das würde ich gern eines Tages auch einmal ausprobieren.«
Er schüttelte den Kopf. »Wirklich erstaunlich, dass Sie nie auf Reisen waren. Ich meine, das Leben mit Ihren Eltern muss doch sicher in exklusiven und aufregenden Bahnen verlaufen sein.«
Dee schüttelte nur den Kopf. Sie hätte doch besser gehen sollen, als sie noch die Gelegenheit dazu hatte. »Wir sind nicht gereist.«
»Darf ich fragen, warum nicht?«
Das private Abendessen war zweifellos vorbei. Der Hühnersalat drohte den Rückweg einzuschlagen.
»Sie meinen, Sie wollen nicht über Reisen sprechen?«
Sein Lächeln wurde strahlend. »Aber sicher. Wenn wir uns wieder privat treffen anstatt geschäftlich.«
Sofort kehrten die Traumbilder wieder, und es gab keinen Zweifel: Er war die Hauptfigur darin. Sein bloßer Rücken, sein Lächeln, der Schein goldener Sonnenstrahlen auf seiner Haut, und sie an der Staffelei. Sie hielt den Atem an und versuchte, ihr Herzklopfen ein wenig zu beruhigen. »Schon wieder diese lahmen Sprüche. Fällt Ihnen nichts Besseres ein?«
In seinen strahlenden Augen lag ein Ausdruck von Amüsiertheit und von Entzücken zugleich. »Sie werden eben einfach in der Nähe bleiben und es herausfinden müssen.«
Er hob sein zweites Bier und nahm einen tiefen Zug, wobei er den Blick nicht von ihr abwandte. Und die wunderschöne Halslinie an seinem Adamsapfel vorbei abwärts wurde natürlich durch das feuchte Glänzen seiner Haut noch betont. Sie hatte das Bedürfnis, zu lachen. Sie hatte ein Gefühl von Rastlosigkeit, Unsicherheit und Heißhunger.
»Meinen Sie, es würde Ihren Schwestern etwas ausmachen, mir ein wenig zu erzählen?«
»Ja.« Ihre Antwort kam instinktiv. Ihr würde es etwas ausmachen. Wie sollte er in solch kurzen Gesprächskontakten ihre Schwestern richtig kennen lernen können? Die Menschen in Salem’s Fork hatten ein ganzes Jahr gebraucht, bis sie hinter
Mares verrückter Art, sich zu kleiden, und hinter Lizzies scheuer Zurückhaltung das Reizvolle und die wahre Schönheit der beiden erkannt hatten. Und dies war der erste Ort, an dem sie sich wirklich zu Hause fühlten. Dee wollte nicht, dass sie wieder verletzend behandelt wurden.
Aber, Herrgott noch mal, es war nicht an ihr, das zu entscheiden. Das war es schon seit einer ganzen Weile nicht mehr. Sie bewegte die Schultern ein wenig, um die Steifheit loszuwerden, und schüttelte den Kopf. »Die beiden waren noch ziemlich klein, als meine Eltern starben. Ich weiß nicht, ob sie viel dazu sagen könnten. Aber das müssen sie natürlich selbst entscheiden.«
Wenn sie es genauer bedachte, wäre es vielleicht das Eintrittsgeld wert, zu beobachten, wie Mare mit diesem Kerl fertig würde. Er mochte ja für einen weltweit bekannten Autor arbeiten, aber sie würde wetten, dass er es noch nie mit einer Königin des Universums zu tun gehabt hatte.
Dieser Gedanke beruhigte sie so weit, dass sie sich wieder entspannte und ihren Martini austrank.
»Was meinen Sie, was sie über den Tod Ihrer Eltern zu sagen hätten?«, fragte er weiter. »Ich weiß, dass Sie darüber Bescheid wissen, dass diese Todesfälle als sehr verdächtig betrachtet wurden, direkt am Abend, bevor sie ins Gefängnis mussten.«
Das war eigentlich zu erwarten gewesen. Entschieden der falsche Moment dafür, dass ihr der Martini ausging. »Der Richter befand, dass sie an Unterkühlung gestorben sind. Sie nahmen an einer spirituellen Reinigung im Meer teil und sind zu lange im Wasser geblieben.«
»Halten Sie das nicht auch für verdächtig?«
Doch. Doch .
»Natürlich nicht. Meine Eltern waren nicht gerade besonders vernünftige Leute. Das wusste jeder. Sie gingen alleine im Ozean schwimmen und achteten nicht auf die Zeit. Ich wundere
mich nur, dass sie es noch bis zurück geschafft haben, bevor sie den Kreislaufzusammenbruch hatten.«
Mitten in der Eingangshalle. Sie hatte sie dort gefunden, am Boden liegend, und Xan über sie gebeugt und
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