Einfach göttlich
daß Vorbis nicht ohne Grund bei uns weilt. Der gute alte Exquisitor. Nimm ihn mit.«
S imony und die beiden Philosophen standen auf der Klippe, blickten übers staubige Ackerland von Omnien und betrachteten die ferne Zitadelle. Nun, wenigstens zwei von ihnen betrachteten sie.
»Man gebe mir einen Hebel und festen Halt – dann würde ich das Ding wie eine Nußschale knacken«, sagte Simony und führte Didaktylos über den schmalen Pfad.
»Sieht riesig aus«, bemerkte Urn.
»Und der Glanz… Er stammt vom Portal.«
»Scheint recht groß zu sein.«
»Ich habe über das Boot nachgedacht«, verkündete Simony. »Über die dabei verwendete Fortbewegungsmethode. Mit so etwas kann man selbst große Türen zerschmettern, nicht wahr?«
»Vorher müßtest du das Tal fluten«, gab Urn zu bedenken.
»Aber wenn das Boot Räder hätte…«
»Ha, ja«, entgegnete Urn voller Sarkasmus. Hinter ihnen lag ein langer Tag. »Ja, mit einem Schmelzofen, sechs Schmieden und einigen Helfern ließe sich bestimmt etwas bewerkstelligen. Räder? Kein Problem. Aber…«
»Mal sehen«, brummte Simony. »Vielleicht läßt sich etwas arrangieren.«
D ie Sonne hing am Horizont, als Brutha – den Arm um Vorbis’ Schultern geschlungen – die nächste Felseninsel erreichte. Sie war ein wenig größer als die mit der Schlange. Der Wind hatte den Gesteinsformationen seltsame Formen gegeben: Einige sahen aus wie dürre, nach oben ragende Finger. Hier und dort in Spalten und Fugen wuchsen Pflanzen.
»Hier gibt es irgendwo Wasser«, sagte Brutha.
»Es gibt immer Wasser, selbst in den schlimmsten Wüsten«, erwiderte Om. »Ein paar Zentimeter Regen pro Jahr fallen in jedem Fall.«
»Ich rieche was.« Der Sand unter Bruthas Sandalen wich Kalksteingeröll. »Etwas… Fauliges.«
»Heb mich möglichst weit hoch.«
Oms Blick glitt über die Felsen.
»Gut. Jetzt kannst du mich wieder runterlassen. Und geh zu dem Felsen, der aussieht wie… der eine erstaunliche Form hat.«
Brutha sah in die entsprechende Richtung. »Erstaunlich, ja«, pflichtete er der Schildkröte bei. »Kaum zu glauben, daß der Wind für die Form verantwortlich ist.«
»Der Gott des Winds hat Sinn für Humor«, erklärte Om. »Wenn auch keinen besonders ausgefeilten.«
Am Fuß der Felsen bildeten herabgestürzte Steinplatten einen wirren, zerklüfteten Haufen, in dem sich hier und dort dunkle Öffnungen zeigten.
»Der Geruch…«, begann Brutha.
»Vermutlich geht er auf Tiere zurück, die zum Trinken hierherkommen«, sagte Om.
Bruthas Fuß stieß gegen einen gelbweißen Gegenstand, der forthüpfte und dabei mehrmals gegen die Felsen stieß. Es klang nach einem Sack voller Kokosnüsse. Die Echos klangen dumpf durch heiße Stille.
»Was war das?«
»Ganz bestimmt kein Schädel«, log der Gott. »Sei unbesorgt…«
»Hier liegen überall Knochen!«
»Was hast du denn erwartet? Wir sind hier in einer Wüste! Hier sterben Leute! Darin besteht eine der wichtigsten Beschäftigungen in dieser Gegend!«
Brutha hob einen Knochen auf. Er wußte, wie dumm er war, aber er wußte auch: Menschen nagten ihr Skelett nicht ab, nachdem sie gestorben waren.
»Om…«
»Hier gibt es Wasser!« rief die Schildkröte. »Wir brauchen es! Allerdings… Vielleicht hat die Sache den einen oder anderen Haken!«
»Haken?« wiederholte der Novize. »Was meinst du damit?«
»Nun, Gefahren.«
»Zum Beispiel?«
»Äh, hast du schon einmal etwas von Löwen gehört?« erwiderte Om verzweifelt.
»Hier treiben sich Löwen herum?«
»Nun, wie man’s nimmt.«
»Was soll das denn heißen?«
»Hier treibt sich nur ein Löwe herum.«
»Nur ein…
… handelt es sich meistens um Einzelgänger. Besonders gefährlich sind alte Männchen, die von ihren jüngeren Rivalen in unwirtliche Regionen verdrängt werden. Sie sind unberechenbar und schlau und haben außerdem die Angst vor dem Menschen verloren…«
Die Erinnerung verblaßte und gab Bruthas Stimmbänder frei.
»Meinst du einen solchen Löwen?« fragte er.
»Wenn er gefressen hat, schenkt er uns keine Beachtung mehr«, sagte Om.
»Tatsächlich?«
»Wenn sich Löwen den Bauch vollgeschlagen haben, legen sie sich schlafen.«
»Und was soll dieser Löwe fressen?« erkundigte sich Brutha.
Er sah dorthin, wo Vorbis an einem Felsen kauerte.
»Etwa…?«
»Es wäre barmherzig«, meinte Om.
»Ja, eine Barmherzigkeit dem Löwen gegenüber! Du willst Vorbis als Köder verwenden?«
»Er wird die Reise ohnehin nicht überleben.
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