Einfach göttlich
sich mit Häretikern und Ketzern eingelassen…«
Der Bittsteller starrte weiter zu Boden. Vorbis wölbte sanft die Hand um sein Kinn und zog den Kopf hoch, bis ein Blickkontakt erfolgte.
»Es war richtig von dir, zu mir zu kommen und Bericht zu erstatten«, sagte er und wandte sich an einen Inquisitor. »Lebt der Vater dieses Mannes noch?«
»Ja, Herr.«
»Kann er noch gehen? Aus eigener Kraft, meine ich?«
Der Inquisitor zuckte mit den Schultern. »Ja, Herr.«
»Laß ihn sofort frei, auf daß Vater und Sohn gemeinsam heimkehren können.«
In den Augen des Informanten kämpften die Heere der Hoffnung und der Furcht gegeneinander.
»Danke, Herr«, sagte er.
»Gehe in Frieden.«
Vorbis beobachtete, wie einer der Wächter den Mann aus dem Garten eskortierte, winkte dann einen Inquisitor zu sich.
»Wissen wir, wo er wohnt?«
»Ja, Herr.«
»Gut.«
Der Inquisitor zögerte.
»Und der… Apparat, Herr?«
»Om hat zu mir gesprochen. Eine Maschine, die sich von ganz allein bewegt? So etwas widerspricht aller Vernunft. Wo sind ihre Muskeln? Wo ist ihr Geist?«
»Ja, Herr.«
Der Inquisitor – Diakon Stichfest – wußte nicht, was er von den gegenwärtigen Umständen halten sollte. Er mochte es, anderen Leuten Schmerzen zuzufügen, und diese Neigung hatte ihm dabei geholfen, das zu werden, was er heute war. Es handelte sich um einen einfachen Wunsch, und die Quisition gab ihm Gelegenheit, ihn sich jeden Tag zu erfüllen. Stichfest gehörte zu den Leuten, die von Vorbis auf eine ganz besondere Weise entsetzt waren. Menschen leiden zu lassen, weil man daran Freude fand – das konnte man verstehen. Vorbis hingegen bescherte anderen Leuten Leid, weil er die Ansicht vertrat, daß sie Leid verdienten. Dabei war kein Sadismus im Spiel, sondern eher eine Art frostige Liebe.
Stichfest wußte aus Erfahrung, daß es kaum jemanden gab, der in Anwesenheit eines Exquisitors zu lügen wagte. Natürlich konnte es keine Maschinen geben, die sich von ganz allein bewegten, aber er beschloß trotzdem, die Wachen zu verdoppeln…
»Wie dem auch sei…«, fuhr Vorbis fort. »Morgen während der Zeremonie müssen wir mit Zwischenfällen rechnen.«
»Herr?«
»Ich verfüge in dieser Hinsicht über… spezielle Kenntnisse«, erklärte Vorbis.
»Ja, Herr.«
»Du weißt, wann Sehnen und Muskeln nachgeben, Diakon.«
Stichfest ahnte, daß Vorbis irgendwo auf der anderen Seite des Wahnsinns weilte. Mit normaler Verrücktheit konnte er fertig werden. Er wußte, daß an Irren kein Mangel herrschte, und bei vielen von ihnen verstärkte sich der Irrsinn in den Tunneln und Kammern der Quisition. Doch Vorbis hatte jene rote Barriere durchdrungen und auf der anderen Seite eine Art logische Struktur konstruiert. Rationale Gedanken, die aus Komponenten des Wahnsinns bestanden…
»Ja, Herr«, sagte der Diakon.
»Ich weiß, wie und wann Menschen den kritischen Punkt erreichen.«
E s war Nacht und recht kühl für die Jahreszeit.
Lu-Tze schlurfte durch die halbdunkle Scheune und fegte hingebungsvoll. Manchmal zog er einen Lappen aus irgendeiner Tasche seiner Kutte und putzte.
Er polierte die Eisenplatten der Beweglichen Schildkröte – der Dampfwagen ragte wie ein Ungeheuer aus dem Schatten auf.
Er fegte sich einen Weg zum Ofen und verharrte dort eine Zeitlang.
Um guten Stahl herzustellen, ist eine hohe Konzentration erforderlich. Deshalb finden sich Götter häufig bei abgelegenen Schmieden ein. Es gibt so viele Dinge, die schiefgehen können. Wenn man die Ingredienzien nicht genau im richtigen Verhältnis mischt, wenn man auch nur für eine Sekunde unaufmerksam ist…
Urn schlief im Stehen und brummte, als ihn jemand anstieß und ihm etwas in die Hand drückte.
Eine Tasse Tee. Er blickte in das kleine, runde Gesicht von Lu-Tze.
»Oh«, sagte er. »Danke. Vielen Dank.«
Nicken, lächeln.
»Fast fertig«, sagte Urn mehr oder weniger zu sich selbst. »Jetzt muß es nur noch abkühlen. Und zwar langsam. Sonst kristallisiert es, weißt du.«
Nicken, lächeln, nicken.
Der Tee schmeckte gut.
»Eigentlich ist dieser Guß gar nicht mehr so wichtig«, fuhr Urn fort und schwankte. »Es sind nur Hebel für die Kontrollen…«
Lu-Tze stützte den praktischen Philosophen und führte ihn zu einem sesselartigen Stuhl neben einem Holzkohlehaufen. Dann kehrte er zum Feuer zurück und betrachtete das in der Gußform glühende Eisen.
Er leerte einen Eimer Wasser darüber, woraufhin es zischte und prasselte, legte sich den Besen über
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