Einfach göttlich
Philosophie?« donnerte Didaktylos und winkte mit dem Gehstock.
Urn strich den Sand der Gußform beiseite.
»Nun, es ist… natürliche Philosophie«, sagte er.
Der Stock klapperte über die Flanke der Beweglichen Schildkröte.
»So etwas habe ich dich nie gelehrt!« rief Didaktylos. »Philosophie soll das Leben verbessern !«
»Das ist der Zweck dieser Vorrichtung«, erwiderte Urn ruhig. »Sie soll dabei helfen, einen Tyrannen zu stürzen. Damit alle Leute besser leben.«
»Und dann?« fragte der Philosoph.
»Und dann was?«
»Anschließend nimmst du die Maschine auseinander, nicht wahr?« meinte Didaktylos. »Du demontierst sie, wirfst Räder und Spitzen fort, verbrennst die Konstruktionspläne… Das stimmt doch, oder? Es bleibt nichts von ihr übrig, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hat…«
»Nun…«, begann Urn.
»Aha!«
»Aha was? Wir behalten den Apparat. Was ist schon dabei? Er kann uns als… zur Abschreckung von anderen Tyrannen dienen.«
»Glaubst du vielleicht, Tyrannen seien nicht imstande, ebenfalls so etwas zu bauen?«
»Wir sind jederzeit in der Lage, noch größere Maschinen zu konstruieren!« rief Urn.
Didaktylos ließ die Schultern hängen. »Ja«, sagte er. »Daran zweifle ich nicht. Dann ist ja alles in bester Ordnung. Hätte mir überhaupt keine Sorgen zu machen brauchen. Tja, ich gehe jetzt und lege mich irgendwo hin, um ein wenig auszuruhen.«
Der Philosoph wirkte in sich zusammengesunken und sehr alt.
»Meister?« fragte Urn.
»Komm mir bloß nicht mit ›Meister‹.« Didaktylos tastete sich an der Scheunenwand entlang in Richtung Tür. »Ich habe gerade festgestellt, daß du dich bestens mit dem menschlichen Wesen auskennst. Ha!«
D er Große Gott Om rutschte an der Seite eines Bewässerungsgrabens hinunter, kippte um und blieb auf dem Rücken zwischen einigen Pflanzen liegen. Er richtete sich auf, indem er nach einer Wurzel schnappte und den eigenen Hals als Hebel benutzte.
In seinem Ich flackerten dann und wann Bruthas Gedanken. Worte konnte er nicht verstehen, aber das war auch gar nicht notwendig. Ebensowenig mußte man die kleinen Wellen beobachten, um festzustellen, in welche Richtung das Wasser floß.
Manchmal, wenn er die Zitadelle als glänzenden Fleck im Zwielicht sah, ließ er seine mentale Stimme so laut wie möglich erklingen und rief:
»Warte! Warte! Sei vernünftig! Wir sollten nach Ankh-Morpork reisen! Die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten! Mit meiner Intelligenz und deinem Ver… und mit dir ist die Welt eine Knetmasse, die wir nach Belieben formen können! Laß eine solche Chance nicht einfach so verstreichen…«
Und dann rutschte Om in die nächste Furche. Ab und zu sah er den Adler, der weit oben am Himmel kreiste.
»Warum gibst du dir überhaupt Mühe? Warum möchtest du etwas ändern? Dieser Ort verdient Vorbis! Schafe verdienen es, geführt zu werden!«
So ähnlich hatte er bei der Steinigung des ersten Gläubigen empfunden. Zu jenem Zeitpunkt glaubten natürlich schon Dutzende von anderen Menschen an ihn. Aber es handelte sich trotzdem um einen sehr schmerzlichen Verlust. Den ersten Gläubigen vergaß man nie. Durch ihn bekam man Form und Struktur.
Schildkröten eignen sich nicht besonders gut für lange Querfeldeinwanderungen. Sie brauchen längere Beine und weniger tiefe Gräben.
Om schätzte seine durchschnittliche Geschwindigkeit auf etwas mehr als dreihundert Meter pro Stunde. Die Entfernung zur Zitadelle betrug mindestens dreißig Kilometer. Gelegentlich kam er schneller voran, zum Beispiel zwischen den Bäumen eines Olivenhains. Doch viel zu oft folgten dann wieder Felsen und Steinwälle am Rand von Feldern.
Während seine Beine ständig in Bewegung waren, summten Bruthas Gedanken wie Bienen.
Erneut rief Om ihn mit der Stimme des Geistes.
»Was hast du schon? Er hat ein Heer! Hast du vielleicht ein Heer? Aus wie vielen Divisionen besteht es, hm?«
Doch solche Gedanken erforderten Energie, und die Kraft einer einzelnen Schildkröte war begrenzt. Om fand einige Weintrauben und aß so gierig, daß ihm der Saft über den Kopf floß. Jetzt hatte er zwar einen gefüllten Magen, aber schneller kam er dadurch auch nicht voran.
Und dann ging der Tag zu Ende. Hier waren die Nächte nicht so kalt wie in der Wüste, aber die Temperatur sank doch erheblich. Für Om bedeutete das: Er wurde langsamer, wenn sein Blut abkühlte. Dann konnte er kaum mehr denken oder gehen.
Er verlor bereits Wärme. Und Wärme kam Geschwindigkeit
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