Einfach göttlich
ahnte nichts von diesem besonders gräßlichen Fluch und fuhr fort: »Welche Wunder könnte eine Schildkröte bewirken? Ähm?«
»Mögen die Kiefer von Riesen deine Fußknöchel zermalmen!«
»Glaubst du etwa, sie könnte Kopfsalat in Gold verwandeln?« fragte Bruder Nhumrod im jovialen Tonfall eines Mannes, der keinen Sinn für Humor hat. »Erwartest du von ihr, sie würde ungläubige Ameisen zerstampfen? Ahaha.«
»Haha«, erwiderte Brutha pflichtbewußt.
»Ich bringe sie in die Küche«, sagte der Novizenmeister. »Schildkrötensuppe schmeckt exzellent. Und dann hörst du sicher keine Stimmen mehr, verlaß dich drauf. Feuer heilt alle Torheiten, nicht wahr?«
» Suppe ?«
»Äh…«, wandte Brutha ein.
»Man soll deine Gedärme um einen Baum wickeln, bis es dir leid tut!«
Nhumrod blickte sich im Garten um. Überall schienen Melonen, Kürbisse und Gurken zu wachsen. Er schauderte.
»Jede Menge kaltes Wasser«, murmelte er. »Darauf kommt’s an. Möglichst kaltes Wasser. Und zwar viel davon. Ähm?«
Der Novizenmeister stapfte in Richtung Küche davon.
D er Große Gott Om befand sich in einer der vielen Küchen, lag rücklings in einem Korb, halb verborgen unter einem Kräuterbündel und mehreren Karotten.
Wenn eine Schildkröte auf dem Rücken liegt, so versucht sie natürlich, sich wieder in die richtige Position zu bringen. Zuerst streckt sie den Hals und trachtet danach, ihn als Hebel zu verwenden. Wenn das nichts nützt, wackelt sie mit den Beinen, in der Hoffnung, durch Schaukeln zu kippen.
Kaum etwas ist mitleiderregender als eine auf dem Rücken liegende Schildkröte.
Abgesehen vielleicht von einer auf dem Rücken liegenden Schildkröte, die weiß, was ihr bevorsteht.
Die einfachste, sicherste und schnellste Methode, eine Schildkröte umzubringen, ist folgende: Man werfe sie in einen Topf mit kochendem Wasser.
Die Küchen, Lager und Werkstätten der Zivilbevölkerung durchzogen den ganzen Zitadellenkomplex 4 . Diese spezielle Kammer verfügte über eine niedrige, vom Rauch geschwärzte Decke, und ein großer, gewölbter Kamin bildete ihr Zentrum. Flammen loderten darin. Hunde liefen in mit Bratspießen verbundenen Tretmühlen. Beile und Messer klopften in einem beständigen Rhythmus auf die Hackbretter.
Auf der einen Seite der großen Feuerstelle, neben verbeulten Kesseln und Kannen, stand ein vergleichsweise kleiner Topf. Das Wasser darin kochte bereits.
»Sollen die Maden der Rache in deine stinkende Nase kriechen und dich von innen zerfressen!« heulte Om. Seine Beine zuckten. Der Korb erzitterte nur ein wenig, neigte sich jedoch nicht zur Seite.
Eine haarige Hand tastete hinein und nahm das Kräuterbündel.
»Ich werde dafür sorgen, daß dir Falken die Leber aus dem Leib picken!«
Die Hand griff nach den Karotten.
»An tausend fauligen Wunden wirst du leiden!«
Wieder näherte sich eine Hand dem Korb, und diesmal schloß sie sich um den Großen Gott Om.
»Die fleischfressenden Pilze von…«
»Sei still!« zischte Brutha und ließ die Schildkröte unter seiner Kutte verschwinden. Anschließend eilte er durch das allgemeine kulinarische Chaos und hielt auf die Tür zu.
Einer der Köche sah ihn an und zog die Brauen hoch.
»Ich muß sie zurückbringen«, sagte Brutha, holte die Schildkröte hervor und winkte damit. »So will es der Diakon.«
Der Koch runzelte die Stirn und zuckte dann mit den Schultern. Novizen galten im großen und ganzen als niederste aller Lebensformen, doch Befehle von hochrangigen Angehörigen der religiösen Hierarchie mußten sofort befolgt werden. Wer zögerte und sich nach Gründen und dergleichen erkundigte, riskierte es, mit weitaus wichtigeren Fragen konfrontiert zu werden, zum Beispiel: Ist es möglich, in den Himmel zu kommen, nachdem man über den Feuern der Quisition gebraten wurde?
Draußen im Hof lehnte sich Brutha an die Mauer und schnappte nach Luft.
»Deine Augen…«, begann die Schildkröte.
»Noch ein Wort, und du landest wieder im Korb«, sagte der Novize.
Die Schildkröte schwieg.
»Wahrscheinlich bekomme ich Schwierigkeiten, weil ich nicht zugegen bin, um mir Bruder Whelks Vortrag über vergleichende Religion anzuhören«, sagte Brutha. »Aber der Große Gott hat es für richtig gehalten, den armen Mann kurzsichtig werden zu lassen, und deshalb bemerkt er mein Fehlen vielleicht gar nicht. Wenn er doch feststellt, daß mein Platz leer ist, und wenn er mich fragt, wo ich gewesen bin und was ich gemacht habe… Dann muß ich
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