Einfach göttlich
hundert Jahre ist die Kirche nicht sehr militant gewesen«, sagte Drunah und blickte über die Wüste. »Sie hat sich vor allem den weltlichen Problemen des Reiches gewidmet.«
Eine Feststellung, weiter nichts. Nirgends der geringste Ansatzpunkt für einen Knochenbrecher oder Gelenkzertrümmerer.
»Es gab den Feldzug gegen die Hodgsoniten«, sagte Fri’it. »Und die Unterwerfung der Melchioriten. Und die Bestrafung des falschen Propheten Zeb. Und die Belehrung der Aschelianer. Und die Läuterung der…«
»Das war alles nur Politik«, erwiderte Drunah.
»Hm. Ja. Natürlich. Du hast völlig recht.«
»Außerdem kann niemand bestreiten, es wäre nicht sehr weise, den Ruhm des Großen Gottes mit einem heiligen Krieg zu mehren.«
»Nein, das läßt sich tatsächlich nicht bestreiten«, entgegnete Fri’it. Oft war er am Tag nach einem glorreichen Sieg übers Schlachtfeld gewandert, und dabei hatte er einen Eindruck davon gewonnen, was Krieg wirklich bedeutete. Die Omnianer durften keine Drogen nehmen, und manchmal erwies sich dieses Verbot als eine sehr schwere Bürde – zum Beispiel dann, wenn man nicht zu schlafen wagte, aus Angst vor den Träumen.
»Hat der Große Gott nicht durch den Propheten Abbys verkünden lassen, es gäbe keine größere Ehre, als für Ihn zu sterben?«
»Ja, das hat er«, antwortete Fri’it, und dabei fiel ihm ein: Abbys war fünfzig Jahre lang in der Zitadelle Bischof gewesen, bevor der Große Gott ihn auserwählte. Er hatte nie erlebt, wie ihm brüllende Feinde mit gezückten Schwertern entgegenstürmten. Er hatte nie in die Augen von Männern gesehen, die seinen Tod wünschten… Halt, das stimmte nicht ganz. In der Kirche gab es Politik. Mit anderen Worten: Es mangelte nicht an Leuten, die Karriere machen wollten, auch und gerade auf Kosten ihrer Kollegen. Aber wenn der Bischof in die Augen von Personen gesehen hatte, die seinen Tod wünschten, so brauchte er wenigstens nicht zu befürchten, daß sich die Betreffenden ihren Wunsch erfüllten – dazu fehlten ihnen die notwendigen Mittel.
»Es ist ehrenvoll, für seinen Glauben zu sterben«, intonierte Drunah. Es klang so, als verläse er eine sorgfältig notierte Botschaft.
»Das haben die Propheten mehrmals betont«, murmelte Fri’it.
Die Wege des Großen Gottes waren unerfindlich. Zweifellos wählte Er Seine Propheten aus, aber offenbar brauchte Er dabei Hilfe. Vielleicht war Er zu beschäftigt, um ganz allein auszuwählen. In dieser Hinsicht schienen seit einiger Zeit viele Treffen stattzufinden. Selbst bei den Messen im Großen Tempel wurde viel genickt, und gewisse Leute wechselten bedeutungsvolle Blicke.
Der junge Vorbis schien dabei im Mittelpunkt zu stehen. Wie leicht es doch fiel, ihn bereits für einen Auserwählten zu halten… Das Schicksal hatte ihm anscheinend auf die Schulter geklopft. Ein kleiner Teil von Fri’it – jener Teil, der viel Zeit in Zelten verbracht und bei häufigen Kämpfen die Erfahrung gemacht hatte, daß man im Gewühl auf dem Schlachtfeld nicht nur von Feinden getötet werden konnte, sondern auch von Freunden – dachte nun: Oder etwas anderes hat ihn berührt. Der Gedanke wurzelte in jenem Teil von Fri’its Selbst, der dazu bestimmt war, bis ans Ende der Zeit in der Hölle zu weilen. Nun, immerhin wußte er bereits, was es damit auf sich hatte.
»Weißt du, früher war ich viel unterwegs«, brummte er.
»Ich habe mehrmals zugehört, wenn du auf recht interessante Weise von deinen Reisen in heidnischen Ländern berichtet hast«, erwiderte Drunah höflich. »Dabei fanden häufig Glöckchen Erwähnung.«
»Habe ich jemals von den Braunen Inseln erzählt?«
»Am Ende der Welt und vielleicht sogar jenseits davon«, sagte Drunah. »Ja, ich erinnere mich. Dort wächst Brot an den Bäumen, und junge Frauen finden kleine weiße Kugeln in Austern. Angeblich tauchen sie danach, und dabei sind sie splitterfaserna…«
»Ich denke an etwas anderes«, meinte Fri’it. Vor seinem inneren Auge zeichnete sich ein Bild ab, das keinen größeren Kontrast zu der bis zum Horizont reichenden Wüstenlandschaft bilden konnte. »An den Ozean. An höhere Wellen als die des Runden Meeres. Die Männer müssen lange rudern, um jenseits von ihnen zu fischen. Dabei benutzen sie seltsame plankenartige Objekte. Wenn sie zurückkehren wollen, warten sie auf eine Welle, stehen dann auf und lassen sich von der Woge bis zum Strand tragen.«
»Die Geschichte von den tauchenden Frauen gefällt mir besser«, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher