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Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Segler hinwegtoste.
    »Was habt ihr vor?«
    Die Seeleute versuchten, Bruthas Blick zu meiden. Entschlossen zerrten sie ihn zur Reling.
    Irgendwo im Durcheinander rief Om:
    »Die Regeln! Du mußt dich an die Regeln halten!«
    Brutha wurde jetzt von vier Matrosen festgehalten. Om hörte nicht nur das Heulen des Sturms, sondern auch die Stille der Wüste.
    »Wartet«, sagte Brutha.
    »Wir meinen das nicht persönlich«, meinte der älteste Seemann. »Eigentlich wollen wir das gar nicht.«
    »Ich will es ebensowenig wie ihr«, erwiderte Brutha. »Hilft uns das weiter?«
    »Das Meer verlangt ein Leben«, erklärte der älteste Matrose. »Deins erscheint uns geeignet. Also los, Jungs. Heben wir ihn über…«
    »Kann ich mich noch von meinem Gott verabschieden?«
    »Wie bitte?«
    »Wenn ihr mich unbedingt umbringen wollt, so möchte ich vorher noch einmal zu meinem Gott beten.«
    »Wir bringen dich nicht um«, lautete die Antwort. »Die See tötet dich.«
    »›Die Hand der Tat ist des Verbrechens schuldig‹«, zitierte Brutha. »Ossory, Kapitel LVI, Vers 93.«
    Die Seeleute wechselten einen Blick. Unter den gegenwärtigen Umständen war es sicher nicht ratsam, irgendeinen, egal welchen Gott zu verärgern.
    Das Schiff glitt über die steile Flanke einer Welle.
    »Wir geben dir zehn Sekunden«, sagte der älteste Matrose. »Damit hast du zehn Sekunden mehr als die meisten anderen Menschen in einer solchen Situation.«
    Brutha legte sich aufs Deck, wobei sich eine weitere Woge, die an den Aufbauten vorbeidonnerte, als sehr hilfreich erwies.
    Om stellte überrascht fest, daß er sich des Gebets bewußt war. Die Worte verstand er nicht, aber er vernahm die Stimme wie einen unterschwelligen Juckreiz im Hinterkopf.
    »Erwarte bloß kein Wunder von mir.« Om versuchte, sich aufzurichten. »Ich habe alles versucht…«
    Der Bug des Schiffes neigte sich nach oben…
    …und pflügte dann durch spiegelglattes Wasser.
    Der Sturm wütete nach wie vor, aber nicht mehr im Bereich des Seglers. Eine runde Zone der Ruhe, mit dem Schiff in der Mitte, dehnte sich langsam aus. Blitze zuckten auf allen Seiten zum Ozean herab und schienen die Gitterstäbe eines ganz besonderen Käfigs zu formen. Andere elektrische Entladungen knisterten hier und dort.
    Und dann war alles vorbei.
    Hinter ihnen hockte sich ein Berg aus Gräue auf die See. Donnergrollen verklang in der Ferne.
    Brutha stand unsicher auf, schwankte von einer Seite zur anderen und wollte ein gar nicht mehr existierendes Schaukeln des Schiffes ausgleichen.
    »Ich…« Erstaunt blickte er sich um.
    Niemand weilte in der Nähe. Die Matrosen waren geflohen.
    »Om?« fragte Brutha.
    »Hier drüben.«
    Der Novize zog seinen Gott aus einem dicken Algenfladen.
    »Du hast behauptet, du könntest nichts bewerkstelligen«, sagte er vorwurfsvoll.
    »Dafür trage ich überhaupt keine Ver…« Om unterbrach sich. Ein Preis dafür muß bezahlt werden, dachte er. Bestimmt ein sehr hoher. Immerhin: Die Königin des Meeres gehört zu den Göttern. Ich habe damals einige Städte in Schutt und Asche gelegt, mit heiligem Feuer und so. Wie sollen einen die Leute respektieren, wenn der Preis nicht hoch ist?
    »Ich habe gewisse Dinge in die Wege geleitet«, sagte Om.
    Flutwellen. Ein Schiff sank. Das Meer verschlang einige Städte. Darauf läuft es hinaus. Wenn die Leute keinen Respekt haben, bleiben sie ohne Furcht. Und wie sollen sie glauben, wenn sie nicht fürchten?
    Eigentlich ist das unfair. Jemand hat einen Tümmler getötet. Für die Königin des Ozeans spielt es natürlich gar keine Rolle, wer über Bord geworfen wird. Ebensowenig ist es für ihn wichtig, welcher Tümmler den Tod fand. Und das ist unfair, denn Vorbis steckt dahinter. Er bringt die Menschen dazu, Dinge anzustellen, die sie überhaupt nicht anstellen wollen…
    He, was denke ich da? Bis vor kurzer Zeit war ich nur eine Schildkröte und wußte nicht einmal, was »unfair« bedeutet…
     
    D ie Luken öffneten sich, und Seeleute wankten zur Reling. Wer sich bei einem Sturm an Deck befindet, riskiert dabei, über Bord gespült zu werden. Doch das erscheint fast erstrebenswert, wenn man mehrere Stunden unter Deck verbracht hat, in der Gesellschaft von panikerfüllten Pferden und seekranken Passagieren.
    Jetzt heulten keine Sturmböen mehr. Das Schiff glitt in aller Seelenruhe dahin, während eine leichte Brise die Segel blähte. Das Meer erstreckte sich spiegelglatt, ebenso leblos wie eine Wüste aus Sand.
    Ereignislose Tage

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