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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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müsste, überschlug ich, bei einer moderaten Lebensführung die nächsten Jahre hinreichen.
    Rechtzeitig genug müsste und würde ich wieder die Wörter »aushelfen« und ähnliche Vokabeln aus dem Wortschatz eines Menschen benutzen müssen, der das Talent zum Hochstapler hat und doch nur sterben wird wie die anderen, wie du und ich.
    Doch ich konnte nun nach Rom gehen. Und das Himmelreich hatte nun etwas Luft, auf Jahre hinaus.
     
    Rom: Es gab ein kleines Stipendium vom Opus Sanctorum für mich, der große Rest jedoch kam aus Kreuzungen, erwirtschaftet über Jahrzehnte, über die Metzgerei, ein blühendes Geschäft war es immer gewesen, und so stand es im Testament, die Tante sprach ja nicht von Metzgerei, Wörter wie »blühend« konnten wir da lesen.
    Aber warum musste es gleich Rom sein? Theologie? Herausfinden, was aus meinen drei Lebensgefährten geworden war? Was aus mir werden könnte?
    Ich habe es im Grunde doch vergessen.
     
Don Quixote von Rom und ich
     
    Ich hatte in Patagonien, im Fiat 500 meiner Cousine Rosa, ein Gelübde abgelegt: »Wenn du davonkommst« ... und so fort.
    Es war schließlich auch Dankbarkeit, dass ich nach Rom aufbrach. Mein Schutzengel war im Spiel gewesen, ein wenig der Zufall oder das Schicksal und auch andere Heilige, die ich regelmäßig um Hilfe anging, der heilige Antonius von Padua, zum Beispiel, Kronzeuge dafür, dass einer, wenn er sich wirklich sucht, auch finden kann.
     
    Mit einer Empfehlung des Präses der Katholischen Landjugend, Monsignore Sandfuchs, der mich auch nicht davon abhalten konnte, denn er wusste genauso wie meine Klostertante und alle anderen, die es gut meinten mit mir, dass das für mich im Grunde doch nichts war, und auch mit einem Geleitschreiben meines Bischofs versehen, den ich in der ersten Euphorie aufgesucht hatte und ihn von meinem weiteren Leben überzeugte, stand ich, nein, es waren meine Füße, standen sie also mitten in Rom.
     
    Ich war jung, das ist wahr, und der eine oder die andere schauten bald ganz sehnsüchtig auf mich hinab oder zu mir hinauf und dachten daran, was sie alles falsch gemacht hatten in ihrem Leben, und sahen mich, einen, dem dieser Weg hoffentlich glückte, der so stark wäre, die drei Gelübde zu halten und darüber hinaus auch noch alle zehn Gebote. Sie waren alle gutartig, jene Menschen, mit denen ich zu tun hatte, sie meinten es damals gut mit mir, selbst Bantle.
    Kurz: Es war alles viel einfacher, nach Rom zu kommen, in den nächsten Umkreis des Stellvertreters Gottes auf Erden, viel ungezwungener, als man es sich vorstellt. Rom war ein Tummelfeld für Scharlatane und Hochstapler, Querulanten, Spione, Rechthaber und Juristenköpfe, Automechanikerseelen bis in die oberste Spitze hinauf, es gab auch eine Menge wohlmeinender Verrückter; sowie einen Rattenschwanz mitläuferischen Fußvolks und von Presseleuten. Sie alle hatte es nach Rom getrieben. Oder sie hatten, wie die Motten, das Licht gesucht wie ich auch. Und trotz allem war und blieb sie, die Kirche, jener Fels. Dass es sie trotz allem immer noch gab, war der schönste Beweis, für ... Bitte, sag mir: wofür!
     
    Kaum mit dem prachtvollen Schreiben, gekrönt vom vielkordeligen Wappen eines Erzbischofs in der Ewigen Stadt, wie das schöne Rom mit einer gewissen Übertreibung seit tausend Jahren genannt wurde, angekommen, hatte sich auch schon Monsignore Franz Sales Obernosterer mit mir angefreundet. Wieder ein Zufall, der mich auf meinem (schiefen?) Weg ein schönes Stück weiterbrachte.
    Wie kam ich überhaupt zur Theologie?
    Theologie interessierte mich doch gar nicht. Theologische Fragen auch nicht. War es wirklich nur das Gelübde und der Umstand oder die Tatsache, dass ich vor dem Leben stand und auch nicht so recht wusste, wie es weitergehen sollte? Oder war es auch noch, wovon bisher nicht die Rede gewesen war, eine Möglichkeit, der Bundeswehr zu entkommen? Galt es auch für mich, was Tante Mausi von ihrem unheimlichen Nachbarn behauptete, der ihr abwechselnd Küchenabfälle und Whiskyflaschen und kleine Liebesbotschaften über die schöne Gartenmauer warf wie der große Horst Janssen der guten Frau Stapelfeldt im Elbknick?
    »Der Mann hat einen Korken«, sagte Tante Mausi von jenem Nachbarn, und beide sind längst tot. Vielleicht hat sie damit zugleich auch mich gemeint und wollte es mir auf schonende Weise beibringen, dass ich doch noch darauf käme, wer ich sei, war und sein werde.
    Ich aber lebte einfach weiter und wollte, gewiss, ich wollte

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