Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
Vom Netzwerk:
Dichter »Verstehen gibt es nicht« und sie dichteten wie Ingeborg Bachmann oder versuchten es.
    Die gute Kreuzlinger Tante!
    Von ihr erbten wir nun endlich die Pferdemetzgerei Rössle, mit Seesicht. Das übriggebliebene Blut, das in den See floß, verfärbte manchmal diese und jene Stelle desselben ganz dunkelrot, und mittendrin lernten die kleinen Seehasen, wie die Menschen vom Bodensee sich selbst nannten, wie es war, zu schwimmen. Dieses Erbe haben wir leider aufgrund des Drucks von Bantle sehr schnell und »undurchdacht«, wie die Experten sagten, die es, wie die Meteorologen, im Nachhinein immer besser wussten, verkaufen oder verscherbeln müssen. Aber so viel war es doch, dass es fast bis zum Ende dieser Geschichte reicht. Die Schulden konnten bezahlt werden, und nun konnten wir wieder von vorne anfangen.
    Und noch einmal auf Jahre hinaus weiterleben.
    Auch der Wetterbericht, von dem die Menschen heute so abhängen und in eine permanente psychische Schieflage geraten, dürfte, dachte ich immer, dürfte erst im Nachhinein geliefert werden. Das grobe Fernsehen dürfte eigentlich nur zeigen, wie es war, das Wetter. Kurz: Es reichte bei weitem nicht dazu, wovon ich ein Leben lang, am Ende vielleicht doch vergebens, träumte: saniert zu sein.
    Ja, es stand, auch nach dem Tod der Kreuzlinger Tante, deren Tod für die Größe unserer Schuld nicht reichte, nach wie vor nicht gut um das Haus mit dem Schmerz als Grundriss.
    Immerhin hatten wir nun etwas Luft, wie Bantle sich ausdrückte. Die Tante und ihr Tod retteten uns immerhin, vorerst und bis auf weiteres, bis zum großen Finale, das Leben.
    Die Post von der Raiffeisenbank, die ich nun las, konnte ich getrost verschmerzen.
    Die Raiffeisenbank meldete sich, dass die Überweisung von DM 5225,- irrtümlich erfolgt sei und dass ich unbefugt darüber verfügt hätte ... und das Konto, trotz mehrfacher schriftlicher und fernmündlicher Kontaktnahmeversuche, wäre noch immer nicht ausgeglichen. Eine Frist wurde mir gesetzt, die, falls ich sie überschreiten sollte ... und so fort »unverzüglich« las ich, Wörter wie »Maßnahmen« und »Gerichtsstand«, »Eintragung in die Schufa«.
     
    Doch wegen des Briefes aus der Praxis Dr. Methfessel, der da auch noch lag, und da ich unangenehme Post immer hinausschob und manchmal auch überhaupt nicht öffnete, vergaß ich dann glatt, dem nachzukommen, das mir gar nicht zustehende Geld artig zu überweisen (hätte ich »ohnehin« nicht gemusst, wie sich mein Anwalt ausdrückte). Also kam prompt der Gerichtsvollzieher, der auch schon früher immer wieder einmal vorbeigeschaut hatte.
    Die Spende an die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger konnte ich auch nicht rückgängig machen.
     
    Der Brief aus der Praxis, dessen Lektüre ich auf den nächsten Tag verschob, den ich mir vornahm zu öffnen, als wäre es ein Kontoauszug, warf alles über den Haufen.
     
    Er enthielt die Nachricht (der, wie Frau Dr. Methfessel schrieb, zahlreiche vergebliche Anrufe vorausgegangen waren), dass ich nämlich nicht sterben würde, wenigstens vorerst nicht, und auch nicht an einem malignen Karzinom, das sich gar nicht, wie ich die ganze Zeit geglaubt hatte, mittlerweile fast schon bis zu seinem Ziel vorgefressen hatte.
    Sie hatte natürlich alles ganz anders formuliert, gar nicht formuliert, sondern festgehalten wie in einem Geschäftsbrief. »Ein bedauerlicher Irrtum! - Die Proben wurden verwechselt.«
    Also hatte es einen anderen getroffen, und nicht mich.
    Gerettet! -
    Doch ich wusste zunächst gar nicht, was ich mit dieser Nachricht, die mich verstörte, anfangen sollte. Ich hatte mich schon eingelebt in den Gedanken, dass ich sterblich bin, und sterben werde, über den ich nie hinauskam.
    Gerettet! - Es ging also weiter. Das Leben ging weiter. Was tun?
    ... eigentlich war ich das ganze Leben schon in die Theologie hineingetrieben worden, bei dieser Vorgeschichte ... von meinem ersten »Widersagst du« an, ach, und nun beschloss ich, doch das zu tun, wovon ich spätestens seit der Erfahrung, die zu Dr. Schwellinger geführt hatte, geträumt hatte: Theologie zu studieren, um alles herauszufinden, wie es war, ist und sein würde. Wo hätte ich hierin weiterkommen können als in der katholischen Theologie?
     
    Noch ein Satz zum guten Gold! - Ich hatte, trotz der Bank ... immer ein gutes Händchen, in das hinein trotz allem von allen möglichen Seiten etwas floss ... und außerdem gab es immer noch Tante Mausi.
    Und das Erbe aus Kreuzungen

Weitere Kostenlose Bücher