Einmal auf der Welt. Und dann so
hätte. Aber wie bei einer Scheidung nach vierzig Jahren die Frau zu ihrem Mann sagt: Ich habe dich nie verstanden!, so, so ähnlich ging es auch mir ... Doch abgefallen von Heidegger, wie es in der Heideggerstadt bald hieß, abgefallen bin ich nie.
Vorausgegangen war die Vorstellung beim Direktor, die Prüfung unserer Person aufgrund unserer Erscheinung, eine alte und gewiss auch naheliegende Methode - und nicht die schlechteste.
Dann beim Rektor der Päpstlichen Universität dasselbe Verfahren, auch ihm gefielen wir. Wir durften bleiben und studieren. Wir bekamen unseren Studierplatz zugewiesen, unsere Stelle zum Hinknien in der Kapelle gezeigt, man gab uns die diversen Ober- und Unterkleider. Erscheinen, Vorstellen, Einkleiden, Hinknien, Beten: Dies alles erinnerte mich etwas an meine zwei Wochen bei der Bundeswehr.
Am ersten freien Sonntag gingen die drei Bayern in Lederhose aus, in der kurzen. Mich nahmen sie so mit, als etwas, das nicht ganz dazugehörte, nicht ganz richtig auf der Welt war. Und ich, daneben, vergesse nie, wie sie nach ihrem bayerischen Auftritt, der mitten in Rom ein Verkehrschaos auslöste (eines von vielen, die ich sah), schamrot von der Straße in den nächsten Bus geflohen sind, und da ging der Aufruhr weiter. Zum Papst hätten sie so kommen können, der Heilige Vater hatte schon manche Delegation aus Altbayern empfangen, aber nicht zu den Römern. Das sind nur Stichworte.
Franz Sales hatte bald ein Auge auf mich geworfen. Schon war ich zum gemeinsamen Rosenkranzgebet nach San Isidoro eingeladen, damals eine der feinsten Adressen für geistliche Vespern. Er hatte mich am schwarzen Brett stehend auf Italienisch angesprochen, mich sogleich für einen Tiroler gehalten, aber noch nicht mit dem Tirolerischen kommen wollen, von da Italienisch, und mich zum Rosenkranzgebet nach San Isidoro eingeladen. Franz Sales war eine dicke, aufgeschwemmte Person unbestimmten, gar unbestimmbaren Alters, mit der ich einfach Mitleid hatte.
Ich sagte: gut, schön -, ich wusste ja nicht, was daraus folgte.
Franz Sales Obernosterer (ein österreichisch klingendes Pseudonym?) stammte, wie es hieß, wohl aus dem Waldviertel, war wahrscheinlich bei den Benediktinern von Kremsmünster erzogen worden, wo er möglicherweise schon bald als begnadeter Zeremonienmeister auffiel, eines Tages nach Rom geschickt, wo er offensichtlich beim Heiligen Vater landete, denn Franz Sales war mittlerweile einer der obersten Zeremonienmeister zu St. Peter. Ein Gerücht, das mir bald zugetragen wurde, besagte allerdings, dass Franz Sales gar kein Österreicher sei, und schon gar nicht aus dem Waldviertel. In Wahrheit handele es sich um einen Konvertiten aus Bielefeld, der seinen hohen Posten bei Oetker aufgrund einer Vision aufgegeben und sich für die Welt seine österreichische Geschichte zurechtgelegt hatte. Franz Sales, der, das wusste ich von Fotos, durch Kardinal König geweiht worden war, hatte sich bald ein feines, aber wenig differenziertes Wienerisch zugelegt, auch ein Schauspielkünstler, sodass ich als Laie ihn von einem anderen Wiener nicht hätte unterscheiden können. Er hatte übrigens auch engen Kontakt zu Ingeborg Bachmann, die kurz vor meiner römischen Zeit in ihrem Bett verbrannte und mit Blut aus den Priesterseminaren -wir mussten alle Blut spenden - noch eine Zeit lang am Leben gehalten wurde. Franz Sales hatte dies vermittelt. Doch all dies nur nebenbei.
Erst als er mir die Hand zum Kuss reichte, wusste ich, dass ich einen bischöflichen Rang vor mir stehen hatte. Und dann sah ich auch noch das Brustkreuz und die Seidenschuhe ... Einer der Mesner des Heiligen Vaters, mit dem Recht, den Papst zu wecken, mit freiem Zugang zu den päpstlichen Kleiderkammern!, flüsterte mir mein Freund zu, von dem ich auch nicht weiß, was aus ihm geworden ist. Ich muss ihn als vermisst aufgeben, denn ich bin seither ohne Lebenszeichen, wo wir das Leben damals doch geteilt haben, darf ich das sagen?
Als Bischof (wenn auch nur Titular-) hatte Franz Sales das Recht auf ein Wappen, auf Nennung seiner Namen und Titel in den Annalen des Heiligen Stuhles. Das höchste Vorrecht aber war nach eigener Auskunft, den Papstmessen (also den höchsten gesellschaftlichen Ereignissen, die es für unsereins auf der Welt gab) in Violett beizuwohnen; und zwar in vollem Ornat. Wie andere auf die Oscar-Nominierungen warteten, so wartete man in Rom auf die Kreierung genannte Ernennungsliste. Franz Sales hoffte schon geraume Zeit auf das
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