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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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Mario, ich) am Fluss angekommen waren, der sich durch die Hochebene schlängelt und eine Verbindung zwischen diesen schönen kalten Seen und dem Pazifischen Ozean herstellt, hatte mir Mario von der Ladefläche weg gleich meine Angel entgegengestreckt und »deine Angel« gesagt. Ich hatte sie auch noch in die Hand genommen und war hinter Mario her die wenigen Schritte zum Ufer des Corcovado gegangen, hatte dann aber meine Angel auf den Boden gelegt. »Willst du nicht einmal sehen, wie er anbeißt?« Lustlos griff ich nun doch zu meinem Gerät, ließ mich antreiben von dem Mann neben mir und seiner Mutter hinter mir und versuchte, es zu machen, wie alle es machen, wie man es macht. Meine Angel - wir beide wackelten etwas, wir zitterten, es war eben das erste Mal. Mario machte mir vor, wie ich den Haken ins Wasser werfen, wie ich die Angel halten und wie ich hinsitzen und lauern und schweigen sollte.
    Und so saß ich eine Zeit. Wie Mario es vorgemacht hatte, selbst in der Haltung einer elastischen Angel, warf ich dieses Gerät über mich hinaus, irgendwo in Richtung Wasser. Ich hatte meinen Gastgebern natürlich verschwiegen, was für eine unglückliche Figur ich immer schon, vom Schneeballwerfen an, gemacht habe. Jetzt konnten sie sich das denken. Zu meinem Unglück hatte ich plötzlich das Gefühl, dass etwas an meinem Angelhaken herumbiss. Ich wollte es vertuschen, aber Mario, der mich wie nebenbei beobachtet hatte, gab mir mit seinem ganzen Körper ein heftiges Zeichen, jetzt fest zu kurbeln und die Angel gegen mich zu ziehen, und auch etwas in die Höhe, so wie er's mir vorgemacht hatte. Doch ich ließ die Angel hängen und kurbelte in die falsche Richtung. Der Haken hing unsichtbar tief im Wasser.
    War schon der Glaube Marios, der die einzelnen Spieler aller Mannschaften der Bundesliga auswendig aufsagen konnte, sein Glaube an den Kampfesmut (der sich ja zunächst spielerisch und sportlich zeigte), an den Kampfgeist der Alemanes durch meine Auskunft, ich sei noch nie angeln gewesen, habe bisher in Pico Grande nur einmal auf einem Pferd gesessen, um nach Sekunden schon wieder herunterzufallen, war dieser Glaube an eine Überlegenheit, deren Repräsentant ich sein sollte, schon gleich am Anfang meines Erscheinens und Auftretens erschüttert worden, so war er nun - vielleicht für immer - zerstört. Das sah ich, aber er schwieg freundlich und verlegen.
    Ich hatte gehört oder gelesen, dass Frauen an sich die besten Lachsfängerinnen seien, die Experten hatten noch nicht herausgefunden, warum. Vielleicht dieses betörenden Aromas wegen, das auch auf diesen Königsfisch, der unter Wasser auf seiner Suche nach dem großen Fisch dem Albatros über Wasser entspricht, der, ich weiß nicht, warum, in der ganzen Welt herumfliegt, eine enorme Anziehung ausübt. Aber Galina, schon hungrig, saß zusammen mit Rosa hinten beim Grillfeuer. Sie waren für die Zubereitung der Beute zuständig, machten sich auch schon an den Gewürzflaschen und dem Brotkorb zu schaffen. Sie warteten auf den ersten Fisch, den Mario schließlich mit schon abgeschnittenem Kopf und Schwanz auf den Grill legte. Sie wollten ihn nur noch würzen, verfeinern und von Zeit zu Zeit von der einen auf die andere Seite drehen.
    Ich sollte es noch einmal versuchen. Pustend und errötend streckte ich mich also noch einmal über mich selbst hinaus. Ich stand an der Kante des eiskalten Wassers, und es war ein Wunder, dass ich nicht hineinfiel. Das war geschafft. Nun versuchte ich wie Mario, wie ein Angler, wie ein Mann dazusitzen. Umsonst.
    Es geschah nichts. Ich saß da, vermutlich so, wie ich im Krieg auf den Einschlag einer Granate gewartet hätte.
    Es war ja nur mein Glück, dass nichts passierte. Schon war ich etwas aufgeheitert und wollte anfangen zu plaudern. »Ich« konnte ich gerade noch sagen, da machte Mario ein Gesicht, als ob ich ihm das Leben verpfuscht hätte.
    Habe ich das tatsächlich, wenn auch nur augenblicksweise? Er hatte doch schon genug gefischt, die lautlosen Tiere mit dem Haken im Maul, dem Widerhaken, mit ihrem ganzen Gewicht und Leben an diesem Haken hängend herausgezogen, mit der Hand (die Hände sehr geschickt, der Fisch kaum blutend) den Haken vom Maul, das Maul vom Haken gelöst und den Lachs in die Wanne geschmissen, wo er sich etwas erholen konnte, verschnaufen, sage ich vereinfachend. Denn nicht jeder Fisch bekam sogleich eins hinter die Kiemen, nur die auserwählten Exemplare, die zu unserer Gaumenfreude vorgesehenen. Die anderen

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