Einmal rund ums Glück
um hinter ihr herzulaufen«, sagt Nonna schließlich. »Und Stellan war ein sehr eindrucksvoller Mann.«
»Wie ging es mit Andrea weiter?«
»Er heiratete ein Mädchen von hier und führte ein schlichtes Leben in den Bergen.«
»Woran ist er gestorben?«
»An Krebs. Er war lange krank, der Tod war eine Erlösung.«
»Und er hatte keine Kinder?« Das hat mir meine Mutter schon erzählt, aber ich will es auch von Nonna hören.
»Nein, keine Kinder.« Sie überlegt. »Weißt du, deine Mutter wäre nicht damit zurechtgekommen.«
»Womit?«
»Ihn zu pflegen. Sie ist nicht der Typ dafür. Sie war immer auf der Suche nach etwas Besserem, nach einem besseren Leben. Es machte sie schier wahnsinnig, dass dein Großvater und ich hier all die Jahre so lebten. Als Carlo starb, wollte sie, dass ich mit ihr nach New York ziehe.«
»Wirklich?« Ich kann mir meine Großmutter nicht in New York vorstellen.
»Ja. Aber ich lehnte ab. Obwohl ich wirklich versucht war, nur um deinen Vater zu ärgern.«
Ich schaue zur Seite.
»Entschuldigung«, sagt sie. »Ich darf nicht so schlecht von ihm reden. Immerhin ist er dein Vater.«
»Ist er das wirklich?«
Eine Weile betrachtet sie mich. »Ich glaub schon. Du hast keine Ähnlichkeit mit Andrea. Aber ich glaube, du hast die Nase deines Vaters.«
Ich kann nicht anders, als über diesen banalen Vergleich abfällig zu schnauben.
Vier Tage später kehre ich nach England zurück.
»Hast du Zeitung gelesen?«, fragt Holly, kaum dass wir es uns mit einem netten Glas Wein auf dem Sofa bequem gemacht haben.
»Nein, warum?«
»Herrgott, es geht nur noch um Luis, Luis, Luis.«
Ich seufze frustriert. »Warum lassen sie ihn nicht endlich in Ruhe?«
»Nein, so ist es nicht«, sagt sie aufgeregt. »Jetzt interessieren sich plötzlich alle für ihn. Seit dem letzten Rennen, als er aufs Podium kam und direkt anschließend einfach so verschwand und am nächsten Tag ohne Bart am Flughafen auftauchte, ist die Stimmung gekippt. Als ob er neu geboren wäre! Alle reden nur noch gut von ihm!«
»Wirklich?«
»Ja, o Mann, die anderen Fahrer werden wieder alle neidisch werden.«
»Neidisch? Warum sollen sie neidisch sein?«
»Oh, Daisy, du bist so ahnungslos! Sein erstes Jahr in der Königsklasse war für einen Neuling ganz schön erfolgreich. Die anderen fühlten sich ernstlich bedroht.«
»Ach, so. Hm … weiß denn irgendjemand, wo er hin wollte, als er nach dem Rennen plötzlich verschwand?«, frage ich vorsichtig.
Holly grinst mich an. »Er ist zu dir gefahren, stimmt’s?«
Ich nicke verlegen.
»Ally hat Simon erzählt, dass Luis sie angerufen und nach deiner Adresse gefragt hat, deshalb machte er sich keine Sorgen.«
»Weiß es sonst noch jemand?«, frage ich.
»Nein, nur Simon, Ally und ich. Aber alle Achtung, Daisy! Was hast du zu ihm gesagt, dass er sich so zusammengerissen hat? Simon war ganz aus dem Häuschen! Für ihn war Monza Luis’ letzte Chance!«
»Im Ernst?«
»Ja! Also, egal was du gesagt hast, du hast Luis den Hintern gerettet. Ich hoffe, er weiß das.«
»Glaube schon«, sage ich leise. »Aber erzähl mal, was sonst noch so passiert ist!« Ich möchte nicht mehr über Luis sprechen.
In der folgenden Woche meldet sich eine Kollegin von Holly in der Kantine krank. Holly fragt mich, ob ich einspringen kann. Ich bin noch nie im Hauptquartier gewesen und ganz gespannt darauf, es zu sehen, deshalb sage ich zu.
Die Anlage wirkt wie aus einem James-Bond-Film, alles glänzt schwarz, weiß und golden, dazu mehrere Sicherheitsschleusen, die ich passieren muss, bevor ich endlich die heiligen Hallen erreiche. Das Gelände ist riesengroß. Rennwagen aus den letzten Jahren stehen nebeneinander aufgereiht auf dem glänzenden Betonboden. Schnell gehe ich daran vorbei, denn ich will gar nicht wissen, ob einer von Wills alten Wagen dabei ist.
Die sogenannte Kantine ist eher ein sternegekröntes Restaurant, eingeschweißte Käsesandwiches sucht man hier vergebens. Ich bin froh, dass ich bei Frederick und Ingrid auf großen Veranstaltungen auch den gehobenen Service gelernt habe, denn einige der wichtigsten Sponsoren kommen heute zum Arbeitsessen vorbei, und Holly hat es so gedreht, dass ich ihr beim Kellnern helfe. Während des Essens bleiben wir im Raum und verteilen frisch gebackene Brötchen. Plötzlich öffnet sich die Tür, und Luis kommt herein.
Überrascht sehe ich auf. Es war zwar noch ein Stuhl frei, aber ich hatte keine Ahnung, dass er für ihn vorgesehen
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