Einmal rund ums Glück
und als ich wieder nach vorne komme, entfernt sich Will mit seinem Frühstück gerade von der Theke. Enttäuscht schaue ich ihm nach. Dankenswerterweise bekommt Holly es nicht mit.
Beim nächsten Mal sehe ich ihn, als ich mich durch die Luftfeuchtigkeit zu den Boxen durchgekämpft habe. Ich muss den Teammitgliedern, die zu beschäftigt sind, um Pause machen zu können, Verpflegungsnachschub bringen. In den Boxen an der Sepang-Strecke von Kuala Lumpur gibt es jeweils einen Fahrerraum, und als ich in den Gästebereich zurückgehen will, kommt Will in seinem Rennfahreroverall aus diesem Zimmer.
»Und war’s noch nett gestern Abend?«
»Super.« Bis du einfach ohne ein Wort verschwunden bist. »Alles klar fürs Qualifying?«, frage ich.
»Yep.« Er klopft auf den Helm unter seinem Arm.
»Gut.« Was soll ich noch sagen, was kann ich noch sagen?
In dem Moment kommt Luis aus dem Fahrerraum. Er sieht kurz zu uns hinüber, wendet den Blick schnell wieder ab und geht zu seinem Wagen auf der anderen Seite der Garage. Geistesabwesend folge ich ihm mit den Augen.
»Wir sehen uns«, höre ich Will sagen.
Schnell drehe ich mich wieder zu ihm um. »Ja klar. Viel Glück!«
Er antwortet nicht, und ich haste durch die Hitze in den glücklicherweise klimatisierten Gästebereich. Mein Herz klopft ein klein wenig schneller als zuvor.
In Melbourne haben sich Will und Luis für die vorderen Startplätze qualifiziert, ein Ergebnis, das jeden in der Branche überraschte. Daher sind heute aller Augen auf unser Team gerichtet. Kann Will sich erneut die Pole-Position sichern? Wird Luis sie ihm wegschnappen?
Am Ende kämpft Luis um den ersten Platz, jedoch gegen einen anderen Fahrer, gegen Nils Broden aus Schweden. Er geht dann als Zweiter durchs Ziel, gefolgt von Kit Bryson als Drittem, während Will nicht über die vierte Position hinauskommt. Das Ergebnis ist immer noch gut, aber offenbar nicht gut genug für Will. Am Samstagnachmittag verlässt er die Rennstrecke früh, während Luis noch da bleibt und im Gästebereich mit den Sponsoren plaudert.
Am Abend gehen Holly und ich nicht vor die Tür. Sie hat immer noch einen dicken Kopf vom Alkohol, deshalb überredet sie mich, auf dem Hotelzimmer zu bleiben und uns einen Film anzusehen. Es braucht keine großen Überredungskünste, um ehrlich zu sein. Ich weiß, dass Will nicht unterwegs sein wird, und bin ganz froh, Luis nicht sehen zu müssen und den möglichen – berechtigten – Sticheleien der Mechaniker aus dem Weg gehen zu können.
Der Große Preis von Malaysia am nächsten Tag verläuft ohne größere Zwischenfälle. Will hat einen guten Start, kann Kit Bryson überholen und sich Rang drei schnappen, während Luis den zweiten Platz hält, und so bleibt es im Großen und Ganzen bis zum Schluss. Da unsere beiden Fahrer einen Platz auf dem Treppchen ergattern, steht unser Team wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die meisten reden über Luis. Er führt jetzt die Gesamtwertung an – eine eindrucksvolle Leistung für einen Fahrer in seiner allerersten Saison. Will hingegen ist schon seit zwei Jahren in der Formel 1 und hat bisher noch kein Rennen gewonnen.
Ich frage mich, wie er sich fühlt, wenn er sieht, dass der Teamchef Luis nach der Pressekonferenz auf den Rücken klopft. Selbst
ich
habe das unerklärliche Gefühl, Luis gratulieren zu wollen, doch er ist immer von Menschen umringt, und ich habe zu große Angst, dass er mich nach meinem Verhalten am Freitagabend vor den Kopf stößt.
Als wir am frühen Abend aufräumen, verlasse ich kurz die Küche und sehe, wie Simon sich mit dem technischen Leiter und dem Finanzdirektor des Teams unterhält. Will und Luis stehen hinter ihnen, Will gestikuliert mit beiden Armen, als schildere er ein Manöver aus dem Rennen.
Simon erblickt mich. »Ah, Daisy. Wir sind jetzt dann weg.«
Ich nehme an, er meint nach Bahrain. Bis zum nächsten Rennen sind es noch zwei Wochen, aber die Fahrer werden schon vorher anreisen, um sich auch dort wieder an die Witterung zu gewöhnen.
»Hast du mit Ally gesprochen?«
Er meint seine Assistentin.
»Ja. Sie konnte mich noch umbuchen.« Ich merke, dass Will und Luis ihr Gespräch beendet haben und uns zuhören. Das macht mich nervös.
»Und wann fliegst du hin?«
»Ähm, am Mittwoch vor dem Rennen. Ist das in Ordnung?«
»Nein, eigentlich nicht. Wir brauchen dich schon früher. Oder hast du etwa andere Pläne?«, fragt er schroff.
Eigentlich ja. Diese Woche wollten Holly und ich auf Langkawi
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