Einmal rund ums Glück
beinahe fallen lasse, als ich ihn schließlich entdecke. Er trägt bereits seinen Overall und steht neben seinem Wagen, im Gespräch mit einem der Ingenieure. Will wirft einen kurzen Blick in meine Richtung, unterhält sich aber konzentriert weiter, ohne zu zögern oder mich zu grüßen. Ich stelle den Teller auf einen Büfetttisch.
»Hast du auch welche mit Vanillecreme?« Ich drehe mich um, und Luis steht vor mir.
»Mit Vanillecreme? Die sind nicht edel genug für unser Etablissement, das müsstest du doch wissen, Luis. Hier, versuch’s mal mit einem Shortbread.« Ich biete ihm eins an.
»Bah, euer ekliges Shortbread! Besorg mir gefälligst Kekse mit Vanillecreme!«
»Va se lixar!«
»Psst!«, macht er und sieht sich erschrocken um. »Meine Mutter steht direkt um die Ecke!« Er weist mit dem Daumen über die Schulter.
»Deine Mutter?« Ich schaue an ihm vorbei und erblicke eine kleine, sympathisch untersetzte Brasilianerin neben einem kleinen, sympathisch untersetzten Brasilianer. Bei ihnen ist ein zierliches dunkelhaariges Mädchen, das achtzehn oder neunzehn Jahre alt sein muss.
»Mein Vater und meine kleine Schwester«, erklärt Luis, noch bevor ich frage.
»Oh!« Ich lächle ihn erfreut an. »Sind noch andere Geschwister von dir da?« Ich erinnere mich, dass er mir von sieben Brüdern und Schwestern erzählt hat.
»Nein, nur Clara. Die anderen haben entweder Angst vorm Fliegen, müssen zu viel arbeiten oder haben gerade ein Kind bekommen.«
»Ein Baby?«
»Ja, eine von meinen älteren Schwestern hat letzte Woche ein Mädchen bekommen.«
»Das ist ja toll! Hast du die Kleine schon gesehen?«
Voller Bedauern schüttelt er den Kopf. »Ich kann in der nächsten Zeit erst mal nicht nach Hause fliegen.«
Seine Mutter schaut zu uns herüber. »Mãe, komm mal her!«, ruft Luis. Alle drei gesellen sich zu uns. Luis flüstert mir schnell zu: »Meine Mutter mag Plätzchen mit Vanillecreme auch total gerne, ist also vielleicht besser, du kümmerst dich drum.« Er sieht mich schelmisch an, doch ich reiße mich zusammen und sage ihm nicht erneut auf Portugiesisch, er solle sich verpissen. »Das ist Daisy«, sagt Luis, als seine Verwandten bei uns sind. »Meine kleine Lieblings-Zuckerschnecke«, fügt er hinzu, legt mir den Arm um die Schultern und drückt mich. Ich schüttel ihn ab und will ihn gegen den Arm boxen, weil er mich schon wieder »Zuckerschnecke« genannt hat, da spricht seine Mutter mich an.
»Aha,
das
ist also Daisy.« Sie lächelt mich warmherzig an, und ich werfe Luis einen fragenden Blick zu. Wieso weiß seine Mutter, wer ich bin?
»Ich habe ihr erzählt, du würdest immer Ärger machen«, flüstert er mir zu. Seine Augen funkeln spöttisch. Seine Mutter hat denselben Blick wie er.
»Hallo, wie geht’s?« Ich reiße mich zusammen und gebe allen dreien die Hand. Clara mustert mich schüchtern. »Hatten Sie eine gute Reise?«, frage ich.
»O ja, herrlich«, antwortet MrsCastro. »Wir haben uns schon ganz viel angesehen.«
»Ach, ja? Was denn zum Beispiel?« Ich stelle diese Frage Clara, in der Hoffnung, dass sie einen Ton herausbringt.
»Luis!«, ruft ein Mechaniker.
»Muss los.« Er gibt seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und geht zu seinem Wagen. Ich wende mich wieder an Clara.
»Gestern waren wir auf dem Großen Basar«, erzählt sie.
»Die Einkaufsmeile«, wirft Luis’ Mutter ein. »Scheinbar schon seit dem fünfzehnten Jahrhundert der Ort zum Sehen und Gesehenwerden.«
»Und am Montag wollen wir in die Süleymaniye-Moschee, nicht?«, schaltet sich der Vater ein. Alle drei sprechend fließend Englisch.
»Hängen Sie also noch einen kleinen Urlaub in Istanbul dran?«, frage ich.
»Ja, noch eine Woche mit Luis«, erwidert MrCastro. »Wir sind zum ersten Mal in der Türkei, und wir sehen ihn ja leider nicht sehr oft.«
»Na, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß.«
Holly kommt mit einer Kanne Tee in die Boxen.
»Ah, du hast den Tee schon fertig, super. Ich dachte, ich müsste ihn noch holen«, sage ich.
»Nicht nötig«, erwidert sie heiter.
»Wir wollen Sie nicht länger aufhalten«, sagt MrsCastro.
»Schon gut. Viel Spaß beim Qualifying! Und bedienen Sie sich bei Tee und Plätzchen!«
Als ich zurückgehe, entdecke ich Will auf der anderen Seite der Garage. Stumm hat er unsere Unterhaltung verfolgt. Kurz blicken wir uns in die Augen, dann sieht er zur Seite.
Später stehe ich in der Küche und wasche ab, als Holly hereinkommt.
»Wie läuft’s?«, frage ich. Sie
Weitere Kostenlose Bücher