Einmal rund ums Glück
deshalb überzeugt er sich, dass das Zimmer leer ist, bevor er mich hineinschiebt.
»Was ist denn los?«, will ich wissen. Ich bleibe an der Tür stehen, die er hinter mir schließt.
»Ähm … Gehst du heute Abend aus?«
»Ja, in einen Club im Pudong-Viertel. Du kannst gerne mitkommen, wenn du willst.«
»Äh, nein danke.«
Fragend sehe ich ihn an.
»Ich habe nur gedacht, ob du vielleicht … Willst du bestimmt nicht, aber ich dachte …«
»Was?« Jetzt bin ich aber neugierig.
»Ich werde wohl auf dem Zimmer bleiben und einen Film gucken.« Er verschränkt die Arme und lässt sie wieder fallen. »Falls du also Lust hast …«, fügt er hinzu.
»Oh.« Ich bin sprachlos. Um ehrlich zu sein, habe ich sowieso nicht viel Lust auszugehen. Die Nachtschichten und das Trinken gehen mir in letzter Zeit ein bisschen auf die Nerven. Ich werde wohl alt.
»Aber kein Herzschmerzfilm«, sagt er schnell und grinst gezwungen. Er wirkt unbeholfen, was sonderbar ist, weil er normalerweise so unverschämt selbstsicher auftritt.
»Gut«, sage ich. »Um wie viel Uhr?«
Er ist erleichtert. »Wann bist du hier fertig?«
Ich schaue auf die Uhr. »Dauert wohl noch ein paar Stunden. Fährst du jetzt sofort ins Hotel?«
»Ja.«
»Soll ich dann später einfach zu dir kommen?«
»Gern.« Er lässt die Arme sinken.
Ich greife nach dem Türknauf, doch Will ist vor mir da und öffnet mir die Tür.
»Dann bis später, ja?«, sage ich und gehe unter seinem Arm hindurch.
»Super. Ja.«
Er schließt die Tür hinter mir, bleibt im Zimmer. Ich gehe die Treppe hinunter in den Gastronomiebereich, und meine Gedanken überschlagen sich.
Holly ist nicht sonderlich beeindruckt, als ich ihr erzähle, dass ich sie im Stich lasse, doch als ich alles gestehe und ihr erkläre, was passiert ist, ist sie ganz Ohr.
»Meinst du, er will was von dir?«, fragt sie mit großen Augen.
Ich schüttel den Kopf. »Glaub ich nicht.« Obwohl eine winzigkleine Stimme in mir etwas anderes flüstert.
»Was soll das denn sonst?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich erzähl’s dir hinterher.« Fast hätte ich hinzugefügt: »
Ich
habe nämlich keine Geheimnisse vor dir …«
Ob er mich wirklich mag? Als er mich in Monaco noch abends im Hotel einlud, verhielt er sich sonderbar, und er hat ganz offensichtlich etwas dagegen, wenn ich Zeit mit Luis verbringe. Vielleicht hat er aber auch einfach nur Langeweile und wünscht sich Gesellschaft.
Aber was, wenn das nicht alles ist? Was, wenn mehr dahintersteckt? Wenn er einen Annäherungsversuch starten würde, hätte ich dann die Willenskraft, nein zu sagen? Bei der Vorstellung beginnen meine Nerven zu flattern.
Ich möchte nicht aussehen, als hätte ich mich besonders in Schale geworfen, deshalb ziehe ich im Hotel einfach nur eine Jeans an und schlüpfe in meinen grünen Pulli. Aber das Haar trage ich offen. Ist ja wohl erlaubt, oder?
»Hey«, sagt Will, als ich vor seiner Tür stehe. Er tritt beiseite, um mich hereinzulassen. »Habe gerade auf der Speisekarte nachgesehen, was man sich aufs Zimmer bestellen kann.« Ich sehe die Karte in seiner Hand. »Hast du Hunger?«, fragt er.
»Kommt drauf an, was im Angebot ist«, erwidere ich.
»Da geht’s lang!«, sagt er, weist mir mit der Speisekarte den Weg ins Wohnzimmer und schließt die Tür hinter mir.
»Wow!« Bodentiefe Fenster bieten einen Blick auf Shanghai, deren pulsierende Lichter wie bunte Sterne in der Dunkelheit funkeln. Mein Zimmer ist unten im dritten Stock, ich habe keine so großartige Aussicht, aber schließlich sind wir hier oben in der dreiundvierzigsten Etage.
Das Wohnzimmer wird von mehreren Tischlampen sanft beleuchtet. Es gibt einen Zweisitzer, ein beiges weiches Ledersofa und einen gelben Stuhl aus Fiberglas vor dem großen Fernseher. Ich entscheide mich für das Sofa. Will kann ja den harten Stuhl nehmen, wenn er möchte. Doch er lässt sich rechts neben mir aufs Sofa fallen, so dass ich unwillkürlich ein wenig nach links rutsche.
»Kann ich auch mal gucken?« Ich weise auf die Speisekarte.
»Klar.« Er hält sie mir geöffnet hin, lässt aber nicht los, sondern rückt näher heran, so dass er weiterlesen kann. Mir ist die Situation irgendwie unangenehm. Ich reiße mich aber zusammen, um ihm nicht erneut auszuweichen.
»Und, was nimmst du?« Ich werfe ihm einen Seitenblick zu. Er schaut mich mit seinen wunderschönen blauen Augen an, und mein Magen zieht sich zusammen.
»Hm …« Will studiert wieder die Speisekarte. »Ich nehme
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