Einsamen
ihr GPS eingegeben hatte.
Aber sie ließ sie ausreden, es schien, als brauchte sie das aus irgendeinem Grund.
Nach Eva Backmans Liste war Gunilla Winckler-Rysth sechzig, aber sie sah jünger aus. Eine Frau, die sicher drei- oder viermal in der Woche zum Fitnesstraining geht, dachte Eva Backman. Dünn, drahtig und faltenfrei. Platinblondes Haar, genau der Haarton, den man haben sollte, wenn man nicht länger eine Blondine war und nicht grau sein wollte.
Vielleicht musste sie nicht einmal das Haus verlassen, um in Form zu bleiben, das zweigeschossige Haus aus Glas, ergrautem Holz und Beton war groß genug, um sowohl Pool als auch Fitnessraum zu beherbergen. Wenn einem der Sinn danach stand.
Aber es gab keine Hausbesichtigung. Gunilla Winckler-Rysth kam Eva Backman bereits entgegen, als diese aus dem Auto stieg, es war offensichtlich, dass sie das Bedürfnis hatte zu reden. Es umgab sie eine Aura unbestimmter Unruhe. Backman konnte nicht sagen, ob das nun akut oder chronisch war. Sie ließen sich an einem Marmortisch in einer Küche nieder, die aussah, als wäre sie gerade letzte Woche eingebaut worden. Dunkles Brot, Käse und ein wenig Gemüse standen schon bereit. Eine Karaffe mit Wasser und Zitronenscheiben. Gunilla Winckler-Rysth fragte, ob sie lieber Kaffee oder Tee wolle, Backman entschied sich für Kaffee, und ihre Gastgeberin bereitete ihn in einer großen Espressomaschine aus rostfreiem Stahl zu, die ebenfalls nagelneu aussah.
»Sie haben ein schönes Haus«, sagte Backman. »Wie lange wohnen Sie hier schon?«
»Bald ein Jahr«, erklärte Gunilla Winckler-Rysth. »Wir sind von Långedrag hergezogen. Ja, uns gefällt die Natur hier.«
Ihre Stimme zeigte auch eine Spur diffuser Unruhe. Eine Art Schuldbewusstsein oder worum auch immer es sich handeln mochte. Backman schaute aus dem Fenster und dachte, dass es hier um die Ecke natürlich diverse Joggingwege gab. Ich wünschte, ich hätte in fünfzehn Jahren die Figur, stellte sie fest, während Frau Winckler-Rysth die Milch aufschäumte. Aber als die Kaffeemaschine verstummt war, beschloss Eva Backman, nicht weiter ans Training zu denken und sich auf das zu konzentrieren, weshalb sie hergekommen war. Sie schaltete ihr neues Aufnahmegerät ein und legte es neben einen Granitkerzenhalter mitten auf den Tisch.
»Sie haben also nicht gewusst, dass Germund Grooth am Sonntag tot aufgefunden wurde?«
»Nein, ich hatte keine Ahnung. Ich war total überrascht, als Sie mir das erzählt haben. An derselben Stelle wie Maria … stimmt das?«
»Ja.«
»Mein Gott. Wieso? Was soll das für einen Sinn haben, dass …?«
»Was?«
»Dass … ich weiß nicht, an derselben Stelle zu sterben wie sie. Es ist ja so lange her. Fünfunddreißig Jahre.«
»Hatten Sie noch Kontakt zu Germund Grooth, Ihr Mann und Sie?«
Gunilla Winckler-Rysth stellte zwei Becher Cappuccino auf den Tisch, und Backman registrierte, dass ihre Hände ein wenig zitterten. Nicht viel, nur eine nervöse Schwingung, ein leichtes Flattern. Sie setzte sich Eva Backman gegenüber und strich sich ein fiktives Haar von ihrer schwarzen Hose. »Nein«, sagte sie. »Das kann man nicht behaupten.«
»Nicht behaupten?«, hakte Backman nach.
Ihre Gastgeberin dachte nach. »Nun ja, wie soll ich es sagen? Er ist irgendwie aus dem Blick verschwunden, nachdem Maria gestorben war, aber doch nicht vollkommen. Wir haben uns seitdem wohl drei-, viermal getroffen, alles in allem. Ja, häufiger auf keinen Fall. Er wohnt … wohnte … in Lund.«
»Ich weiß«, sagte Backman. »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
»Das ist tatsächlich erst ein paar Monate her«, sagte Gunilla Winckler-Rysth.
»Und aus welchem Anlass?«
»Er war hier. Mein Mann hatte ihn in Göteborg zufällig getroffen, sie waren offenbar im selben Restaurant gewesen, um zu Mittag zu essen. Irgendwann im Frühjahr war das … und ja, Tomas hat ihn dann zu uns eingeladen.«
»Wann war er hier?«, fragte Backman nach.
»Im Juni. Anfang Juni, er war auf irgendeiner Art Konferenz in Göteborg und hatte eine Frau bei sich.«
»Eine Frau? Hatte er eine neue Beziehung?«
»Kommt drauf an, was Sie unter Beziehung verstehen. Germund hat … nun ja, er hatte ziemlich viele Frauen im Laufe der Jahre.«
»Aber er war nie verheiratet?«
»Nein. Ich glaube, er hat noch nicht einmal mit einer zusammengewohnt … abgesehen von Maria. Aber das will ich nicht beschwören. Jedenfalls war diese Frau wohl nur eine in einer ganzen Reihe zufälliger
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