Einsamen
Bekanntschaften … Entschuldigung, das klingt so vorwurfsvoll, aber so war es nun einmal. Ich meine, er hat sie nicht hier in Göteborg aufgegabelt, wir wussten, dass sie zu zweit kommen würden. Das hat er uns vorher gesagt.«
Eva Backman nickte. »Ich verstehe. Wie hieß sie? Es kann sein, dass wir mit ihr sprechen müssen.«
»Kristin irgendwas«, sagte Gunilla Winckler-Rysth. »Jedenfalls war es eine Dänin.«
Dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, als wäre ihr plötzlich etwas klar geworden. »Warum … ich meine, warum, könnte es sein …? Warum wollen Sie überhaupt mit mir sprechen?«
Inspektorin Backman wartete ab. Beobachtete, wie ihre Gastgeberin mit einer gewissen Mühe schluckte, bevor sie die nächste Frage formulierte.
»Wie ist Germund eigentlich gestorben? Sie sind … Sie sind von der Kriminalpolizei, nicht wahr?«
Inspektorin Backman nickte. »Das stimmt. Wir ermitteln in dem Todesfall.«
»Warum? Warum muss da ermittelt werden?«
»Finden Sie das nicht ziemlich selbstverständlich?«
»Sie meinen … wegen der Sache mit Maria?«
»Ja.«
Gunilla Winckler-Rysth schüttelte den Kopf und faltete die Hände. Vielleicht, damit sie nicht mehr zittern, dachte Backman. War hier heimlicher Alkoholismus im Spiel? Ein Oberklassen-Hausfrau-Weißwein-Syndrom? Die durchtrainierte Fassade schien ein wenig zu bröckeln, und selbstständig in der Beratungsbranche zu arbeiten, konnte ja alles Mögliche bedeuten.
Dachte Inspektorin Backman voller Vorurteile.
»Aber es ist ja so lange her«, fuhr Frau Winckler-Rysth nach ein paar Sekunden Zögern fort. »Mein Gott, inzwischen sind fünfunddreißig Jahre vergangen. Wollen Sie damit sagen … das Sie Germund an derselben Stelle gefunden haben?«
»Genau das«, bestätigte Eva Backman. »In der Gänseschlucht in Rönninge außerhalb von Kymlinge.«
»Die Gänseschlucht …« Sie öffnete die Hände und befeuchtete sich die Lippen. »… ja, so hieß das dort. Danach hat man behauptet, es wäre ein Todesfelsen aus alten Zeiten, daran erinnere ich mich noch. Aber was ist jetzt passiert? Hat Germund sich das Leben genommen?«
»Wir wissen es nicht«, sagte Eva Backman.
»Er kann doch nicht …«
»Ja?«
»Er kann doch nicht genau an derselben Stelle einfach hinuntergestürzt sein. Das klingt ja … vollkommen unwahrscheinlich.«
»Das finden wir auch«, sagte Eva Backman. »Was glauben Sie denn?«
»Ich?«, fragte Gunilla Winckler-Rysth und hob verwundert die Augenbrauen. »Warum sollte ich irgendetwas glauben? Ich begreife überhaupt nichts.«
Eva Backman versuchte auszumachen, inwieweit die Verwunderung echt war, kam aber zu keinem abschließenden Ergebnis und beschloss, etwas offensiver vorzugehen. »Was Maria Wincklers Tod betrifft, da gab es ja damals so einige Spekulationen«, sagte sie. »Oder?«
»Spekulationen?«, fragte Gunilla Winckler-Rysth nach.
»Genau das«, bestätigte Eva Backman. »Spekulationen.«
Gunilla Winckler-Rysth schwieg eine Weile. Es sah so aus, als versuchte sie einen Weg zu finden. Backman schätzte es so ein, als gefiele es ihr nicht, fünfunddreißig Jahre in die Vergangenheit zurückwandern zu müssen.
»Es stimmt, es gab Spekulationen«, räumte sie schließlich ein. »Und wir haben wohl nie wirklich aufgehört, darüber nachzudenken, weder Tomas noch ich.«
»Warum nicht?«, fragte Backman.
»Was?«
»Warum haben Sie nie aufgehört, darüber nachzudenken?«
»Na, das liegt ja wohl auf der Hand. Maria war seine Schwester, und die Art, wie sie gestorben ist … ja, ich weiß nicht so recht.«
Backman wartete erneut. Gunilla Winckler-Rysth schüttelte den Kopf, wobei unklar war, worüber.
»Sie war so ein ungewöhnlicher Mensch, Maria«, sagte sie. »Irgendwie wusste man nie, woran man bei ihr war … sehr begabt, man hatte immer das Gefühl, dass sie für eine Überraschung gut war, aber dass sie auf diese Art und Weise sterben musste. Nein, das war irgendwie von Anfang an unbegreif-
lich.«
»Was glauben Sie, was passiert ist?«, fragte Backman.
»Ich glaube, sie hat sich das Leben genommen«, sagte Gunilla Winckler-Rysth nach einer weiteren Pause. »Was mich persönlich betrifft, so glaube ich das.«
Backman vermutete, dass es in der Familie darüber unterschiedliche Meinungen gab, beschloss aber, dieser Frage vorerst nicht weiter nachzugehen.
»Können Sie das ein wenig ausführen?«, bat sie stattdessen. »Warum glauben Sie, dass Maria sich das Leben genommen hat?«
»Warum sollte sie einfach
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