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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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einer
Hochzeitsgesellschaft giftige Schlangen regnen, delektierte sich am Sterben.
Die Drecksau. Obwohl. So genau weiß mans nich.Vielleicht Propaganda!«
    »Sach noch mal! Der ließ Schlangen regnen?«
    »Jau.«
    »War dern Zauberer, oder was?«
    »Nein, selbstverständlich war der nurn Mensch. Die Schlangen haben
Sklaven von der Galerie runtergeschleudert.«
    »Ich hab dich gern, Ekki, weißt du das? Wie hieß von dem Typ die
Ma?«
    »Julia Soaemias.«
    »So a Emi – Ass?« Minnie
merkte sich Anus und Ass. Ekki war lustig.
    »Weißt du was? Ich schließe ab, wir nehmen noch ein paar Flaschen
Bier und gehen zu dir.«
    »Das geht heut nicht, Minnie.«
    »Gut, dann zu mir. Und du erzählst mir wilde Geschichten von
römischen Kaisern.«
    »Okay.«

23
    MONTAG
    Robert und Maschjonka Pfennig durchwachten die Nacht.
Irgendwo da draußen befand sich ihr Kind, Sonja, in der Hand eines Verbrechers.
Die Zeit, als es noch andere Erklärungsmöglichkeiten gegeben hätte, war ein und
für allemal Vergangenheit geworden. Sonja war alt genug, um ihren Nachnamen und
ihren Wohnort jederzeit herunterzubeten, schüchtern war sie auch nicht. Das
bedeutete, jemand hatte Sonja in seiner Gewalt und stellte entsetzliche Dinge
mit ihr an. Sich das vorzustellen, war schlimmer als der Tod, es war das
schlimmstmöglich Vorstellbare überhaupt.
    Sie wollten irgend etwas tun, Robert saß an seinem Computer, mailte
alle ihm bekannten Menschen an, setzte sie in Kenntnis von dem Drama, in der
verzweifelten Hoffnung, irgendwer in dieser verabscheuungswürdigen Außenwelt
könne irgend etwas wissen.
    Mascha weinte ein Taschentuch nach dem anderen naß und wollte nur sterben,
schnell sterben, wollte sich das Schicksal ersparen, den Tod ihrer mißbrauchten
Tochter erleben zu müssen. Daß Swentja das Weite gesucht hatte, störte ihre
Eltern wenig, beide machten sie für das Geschehene verantwortlich, und wiewohl
sie ahnten, daß sie sich bald wieder um sie bemühen müßten, weil Swentja nun
mal jene war, die ihnen bleiben würde, konnten sie ihres Zorns auf die
Erstgeborene nicht Herr werden, nicht in dieser Nacht, dieser furchtbar langen,
endlosen Finsternis.
    Minnie hatte Ekki noch nie mit zu sich nach Hause
genommen. Aber es ging von ihm, zumindest heute, wenig Gefahr aus. Er war
binnen weniger Monate ein Halm von einem Mann geworden. Minnie, kräftig und
noch fast nüchtern, wollte nicht mehr nüchtern sein, wollte jemanden bei sich
haben, der betrunken genug war, sie zu bekuscheln. Minnie sperrte das Lokal ab
und zog Ekki am Ärmel hinter sich her. Sie wohnte nur drei Hausnummern
entfernt. Von ihrem Apartment konnte man auf den Matthäi-Friedhof sehen, der
nachts, vereinzelte Grablichter ausgenommen, unbeleuchtet war.
    »Hast du Hunger?«
    »Nee. Hast du Hunger? Ich würde gern mal für dich kochen. Mein
Leibgericht sind Spaghettti mit Kalbsleberstückchen und Majoran. Mit Sahne,
Zwiebeln und Speckwürfeln. Und einem Schuß Sherry. Soll ich dir das mal
machen?«
    »Kalbsleber ess ich nich. Leber nich und Kälber schon gar nich.«
    »Warum?«
    »Kälbchen sind so niedlich.«
    »Aha.« Ekki nahm einen langen Schluck Bier. Es war alles gut. Er
mußte keinen hochkriegen heute nacht. Minnie mochte ihn. Von jemandem gemocht
zu werden, war gut. Es war egal, ob diese Negerin im horizontalen Durchschnitt
einen Meter maß, sie war ein guter Mensch, aß keine Kälber, weil zu niedlich.
Ekki wühlte seine Stirn in ihren Bauch. Minnie trug eine dunkelblaue Unterhose.
Soviel stand von nun an fest.
    »Elagabal wurde nach vier Jahren Herrschaft getötet, die Menschen
haben ihn buchstäblich zerrissen, haben mit seinem Kopf Fußball gespielt in den
Straßen, und auch der heilige schwarze Stein aus Emesa, den er nach Rom
gebracht hatte, wurde zerstört. Danach bestieg Severus Alexander den Thron, für
zwölf Jahre. Ein junger Mann unter der Fuchtel seiner ehrgeizigen Mutter. Er
war der letzte Sproß der Severer. Danach kamen die sogenannten Soldatenkaiser.«
    »Ich mach noch ne Tüte Chips auf.«
    »Mach das.«
    Sie tranken Bier zusammen, aßen teure Royal-Cauldron-Chips der Sorte Honey Barbecue und sahen sich im Fernsehen Polanskis ›Der Pianist‹ an. Ekki legte seine Wange
auf Minnies Decolleté.
    Als Frau hätte sie nichts dagegen gehabt, aber als Kellnerin, die
morgen wieder in einer Geschäftsbeziehung zu Ekki stehen würde, paßte sie auf,
daß er sich nicht weiter vorwühlte. Ekki blieb brav. Den Film fand Minnie arg
widerlich im Sinn von verstörend,

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