Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
wahnsinnig misstrauisch, stimmt’s?« Sie lächelt hinter den dunklen Gläsern. »Überall wittert er Feinde.«
Er hat guten Grund dazu, denkt Rick und hofft, sie nimmt die Hand aus seinem Haar.
»Wir kennen uns noch nicht lange, aber du bist mir schon richtig ans Herz gewachsen.« Oona hebt Ricks Kinn. Ihr Finger streicht über die Stelle, wo sich die ersten Bartstoppel plagen, ans Licht zu kommen. »Hätte mir leidgetan, wenn du verletzt worden wärest.« Sie streichelt seine Wange. Er sitzt auf dem Bett
seiner Chefin und sie streichelt ihn. Rick hält das für eine ziemlich gefährliche Situation.
»Ihr Mann hat gesagt, er kommt zum Essen nach«, sagt er. Sie hört mit dem Streicheln nicht auf. »Ich hab was Französisches mitgebracht.«
»Hmmm.« Sie lächelt genießerisch. »Haben wir beide nicht was ausgemacht?«
»Ich weiß nicht.«
»Du sagst Oona zu mir.«
Er beugt sich zur Seite, damit sie nicht mehr an sein Kinn rankommt. »Ehrlich gestanden würde ich, wenn Ihr Mann da ist, lieber Mrs Kanter zu Ihnen sagen.«
Sie wirft sich ins Kissen. »Dann bleibt das eben unser Geheimnis. Ich sterbe vor Hunger.«
Erleichtert springt Rick auf und mimt einen Kellner. »Wie Sie wünschen, gnädige Frau.« Oona findet das drollig. Er eilt hinaus.
Gleich darauf hat sie ein Nichts von Morgenmantel übergezogen und kommt in den Salon. Der Franzose hantiert so dezent mit dem Geschirr, dass man meint, er ist unsichtbar. In einem mehrstöckigen Warmhalteturm hat er das Dreigänge-Menü gebracht und serviert, als käme es frisch vom Herd. Oona kostet den in Folie gegarten Seebarsch mit Pistou und verdreht die Augen.
»Das musst du probieren.« Sie will Rick mit einem Bissen füttern.
Der Franzose ist schneller. Schon hat er ein zweites Gedeck aufgelegt.
»Ich hab eigentlich keinen Hunger«, sagt Rick.
»Für diese Köstlichkeit brauchst du keinen Hunger. C’est le poisson le plus savoureux que j’ai jamais gouté«, sagt sie zu dem Franzosen.
»Du poisson sans boisson, c’est du poison«, scherzt er und gießt Madame Kanter Weißwein ein.
Auf Ricks besorgten Blick sagt sie: »Ich weiß, ich sollte keinen Wein zu den Medikamenten trinken, aber wie der freundliche Kellner schon sagt: Fisch ohne einen guten Tropfen ist Gift.«
Rick fühlt sich unwohl. Aber er ist nicht engagiert, damit er sich wohlfühlt, sondern damit die Frau seines Chefs sich wohlfühlt. Mach sie glücklich, waren Kanters Worte. Rick probiert vom Seebarsch.
Zum Fleischgang kommt Kanter. Er begrüßt Oona mit einem Kuss und setzt sich.
»Wir gießen uns selbst ein«, sagt er, als der Franzose ständig um sie herumscharwenzelt. Der Kellner verzieht sich in die Küche. Kanter verteilt Rotwein in drei große Gläser. Rick stößt mit den Kanters an und nippt.
»Trink schon.« Kanter fasst Ricks Glas am Boden und hebt es so lange an, bis der Junge brav ausgetrunken hat. »Jetzt geht’s dir gleich besser.«
Der Alte hat einen vergnügten Glanz im Auge. »Und nun vergessen wir mal den Schrecken der letzten Nacht.«
Der alte Wolf beginnt, mit Appetit zu essen. Es ist, als säße eine glückliche Familie beisammen und fände
nichts schöner, als eingelegte Kalbsnieren mit Rosmarin zu futtern.
»Was esse ich da eigentlich?« Kanter zieht ein Knöchelchen aus dem Mund.
Oona sagt ihm die französische Bezeichnung. Kanter lacht, weil er diese Art Essen einfach albern findet.
»Ein anständiger Burger ist uns lieber, was?«, grinst er dem Jungen zu.
Rick weiß nicht, soll er sich freuen, weil die miese Stimmung verraucht ist, oder soll er noch mehr auf der Hut sein? Ist Kanters Freundlichkeit eine Maske, der man nicht trauen darf?
Wie der Boss prophezeit hat, tut der schwere Wein seine Wirkung. Als später die Apfeltarte mit Korianderkaramell auf den Tisch kommt, hat Rick rote Wangen, lässt es sich schmecken und kichert über Kanters Witze. Das Licht wird sanft von den Jalousien gebrochen. Oona hat Krümel am Kinn, die Sonnenbrille ist verschwunden, sie lacht, dass ihr die Tränen in den Augen stehen. Es ist das fröhlichste Mittagessen, an das Rick sich seit Langem erinnert. Kanter, das Monster, der Folterer, der Mann, der aus jungen Leuten Junkies macht, verschwimmt im Nebel des Burgunders und macht einem bärigen Genießer Platz, einem geselligen älteren Herrn, der sich an seiner jungen Frau und seinem beschwipsten Schützling erfreut. Als Rick das dritte Glass eingeschenkt bekommt, findet er sogar das Apartment nicht mehr so scheußlich.
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