Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
zuständig. Er steht dem Boss nicht so nahe wie Howard, aber Kanter vertraut dem dürren Kerl in der Windjacke, der bei jedem Wetter einen Hut trägt. An diesem Tag sitzt das Stahlrohr im achtzehnten Stock des Drachenpalastes und passt auf. Er liest nicht wie Howard die Sportzeitung, er liest überhaupt nicht. Das Stahlrohr sitzt da und starrt die gegenüberliegende Wand an. Mehr braucht er nicht zur Zufriedenheit, denn er hat keine Lust, tätig zu sein, weder geistig noch körperlich. Er sitzt da, die Zeit vergeht. Das nennt er Leben. Erstaunlich, dass das Stahlrohr so etwas Kompliziertes wie eine Frau an sich heranließ. Andererseits kann man auch in Gesellschaft einer Frau nur dasitzen und nichts tun. Das Stahlrohr gestattete Galina, sich an ihn ranzuschmeißen. Hübsch
ist sie zweifellos, gegen Platinblond hat er nichts einzuwenden, sie treffen sich von Zeit zu Zeit. Manchmal verbringt Galina eine Nacht mit dem Stahlrohr. Er vertraut ihr. Daher wird er nicht besonders stutzig, als der Aufzug in den sechzehnten Stock hochgefahren kommt und Galina aussteigt.
»Hi«, sagt sie.
Das Stahlrohr sieht sie an. Er weiß, sie wird schon damit rausrücken, warum sie ihn während der Arbeitszeit besucht.
Galina baut sich vor ihm auf und vergewissert sich gleichzeitig, ob das Treppenhaus über und unter ihnen clean ist. »Wie geht’s?«
Auch das provoziert das Stahlrohr zu keiner Antwort.
»Willst du wissen, warum ich hier bin?«
Er zuckt die Schultern.
»Ich brauche deine Schlüssel.«
Das kommt so unerwartet, dass das Stahlrohr Galina genauer ins Auge fasst. »Schlüssel?«
Sie nickt und öffnet ihre Handtasche.
»Wozu?«
»Dauert zu lange, dir das zu erklären.« Galina zieht ihre Dienstwaffe aus der Tasche, den Schalldämpfer hat sie im Lift draufgeschraubt. Sie sagt kein weiteres Wort und erschießt das Stahlrohr. Sie trifft sein Herz so präzise, dass ihm nicht mal die Zeit bleibt, erstaunt zu blicken. Er stirbt mit der gleichen Ausdruckslosigkeit, mit der er lebte. Bevor er vom Stuhl sinkt, hält
Galina ihn fest und setzt ihn gerade hin. Sie holt den Schlüsselbund aus seiner Hose und macht die Kette vom Gürtel ab. Mit gesenktem Kopf, den Hut in der Stirn, lässt sie das tote Stahlrohr sitzen. Jeder kennt ihn in dieser Haltung, so fällt er am wenigsten auf.
Galina weiß, wo der Junge ist. Der Sender in seinem Arm hat es ihr angezeigt. Sie sucht den richtigen Schlüssel und schließt die Tür in das geheime Treppenhaus auf. Hier hat nur Zutritt, wer den Schlüssel besitzt. Galina schleicht vorsichtig höher.
Das Verrückte ist, dass sich zu diesem Zeitpunkt noch eine Frau um Rick Sorgen macht. Ricks Charme, sein gutes Aussehen mögen dafür verantwortlich sein, aber auch mütterliche Gefühle. Rick wurde in den siebzehnten Stock geschafft. Dort hat Kanter eine zweite Wohnung, sie ist leer. Manchmal schlief Howard hier, wenn er zwischen Dienstschluss und Dienstantritt nicht heimfahren wollte. In der Wohnung liegt eine Matratze, sonst nichts. Hierher hat man den fiebernden Jungen gebracht. Semyoto hat ihm eine Spritze gegeben; abgesehen von den Schmerzen ist Rick einigermaßen stabil.
Leise öffnet sich die Tür. Die Person, die eintritt, lauscht, ob sie verfolgt wird. Die Tür wird sachte zugezogen. Frauenschritte, eine Silhouette, Oona steht an Ricks Lager. Es ist die Stunde des Tages, wenn
draußen alles blau wird, bevor sich die Konturen auflösen. Oona macht kein Licht. Sie erkennt nicht, ob Rick wach ist oder bewusstlos. Er atmet, sein Kiefer hängt schlaff herunter. Was will sie hier? Schon bereut sie, hergekommen zu sein, und kriegt es mit der Angst zu tun. Sie ist im Begriff zu gehen. Da öffnet Rick die Augen. Großes Elend ist in ihnen, Misstrauen und Trotz. Auch wenn schlimme Dinge mit ihm angestellt wurden, Ricks Trotz konnte selbst Semyoto nicht brechen. Der Junge erkennt Oona. Hat Kanter sie geschickt, soll sie Rick aushorchen, nachdem sie ihn fertiggemacht haben? Oder ist Oona die Belohnung nach der Strafe, die Schlange, die man züngelnd auf ihn loslässt?
Sie starrt auf das von Schmerzen entstellte Gesicht. »Ich will dir nur sagen, ich finde es schrecklich, dass er das mit dir macht. Ich habe … das habe ich nicht gewollt.«
»Du?« Rick fehlt die Kraft, den Kopf zu heben.
»Das Collier. Ich weiß, dass du die Kette nicht gestohlen hast«, sagt Oona schuldbewusst.
»Kette?« Alles dreht sich in Ricks Kopf, er kann eins und eins noch nicht zusammenzählen.
»Ich werde Kanter die
Weitere Kostenlose Bücher