Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
Vielleicht ist das Kanters wirklicher Plan: Er überlässt New York dem Terror und setzt sich selbst ab. Etwas an der Rechnung stimmt nicht: Kanters Liebe zum Big Apple. Die Liebe zu dieser Stadt verbindet Rick und Kanter. Nirgends auf der Welt würde sich der Boss je so wohl fühlen. Nirgends könnte er die Fäden in der Hand halten, nirgends hätte er so viel Macht.
Rick schüttelt diesen Gedanken ab, es gibt Vordringlicheres. Oona. Sie ist nicht hier, jemand wird kommen und ihre Koffer holen. Rick ruft sie ein weiteres Mal an, umsonst. Wo kann sie sein? Er muss hier raus, nachdenken kann er unterwegs. Er verlässt den Drachenpalast und läuft durch die Straßen zum Edelweiß. Er versucht, sich in Kanter hineinzuversetzen. Semyoto hat Rick vor der Einkaufspassage gesehen, vor der Monroe Street. Niemand außer Oona kann Rick den Tipp gegeben haben. Kanters Uhr tickt, Nine Eleven rückt näher. Vielleicht überlässt er sie nicht Semyoto, sondern wiegt sie in Sicherheit, nimmt sie mit nach Europa und bestraft sie erst dort.
Rick erreicht die Ecke, an der sich Kanters Hauptquartier als bedrohlicher Block erhebt. Das Haus ist seine Machtzentrale, das Restaurant zu ebener Erde wirkt wie ein zynischer Witz. Als Rick davor steht,
begreift er seine Hilflosigkeit, erkennt, wie lächerlich und selbstmörderisch es ist, auf eigene Faust zu handeln. Er kommt sich wie ein winziger David vor, das Gebäude vor ihm ist der haushoch überlegene Goliath. Endlich tut Rick das einzig Vernünftige: Er meldet sich im Department.
Ich bin mit der Aufarbeitung von Ricks letztem Geniestreich beschäftigt: Gemeinsam mit der Strahlenschutzbehörde haben wir auf der Upper Westside den schwarzen Transporter sichergestellt. Die vier Kisten kommen in unsere Obhut, die Spezialisten isolieren das Cäsium-Isotop. Ich selbst befinde mich in der Tiefgarage. Shefqet Hoxhas bleicher Begleiter hat den Polizisten erschossen. Der Officer war dem Terroristen mit der gefährlichen Ladung auf der Spur, der hatte ihm aufgelauert und schoss ihm ins Gesicht. Der Polizist war sofort tot. Mit dem Cäsium ist der Terrorist auf der Flucht. Ein zu allem entschlossener Verbrecher ist mit radioaktivem Material in New York City untergetaucht. Das ist der aktuelle Stand, als Rick mich anruft.
»Sie müssen Kanters Haus stürmen«, sagt er mit einer Selbstverständlichkeit, als ob er eine Pizza bestellt.
»Wo bist du?«
»Genau dort.«
»Unternimm nichts.« Wieso weiß ich im Augenblick, als ich es sage, dass Rick sich nicht darum kümmern wird?
»Haben Sie das Cäsium?«
»Ja.«
»Haben Sie den Mann im Kino?«
»Ja.«
»Jetzt können Sie Kanter verhaften.«
»Wir müssen ihm die Verbindung zum Cäsium erst nachweisen, sonst ist er in null Komma nichts wieder auf freiem Fuß.«
»Semyoto hat den Deal gemacht. Ich war dabei, ich habe ihn gesehen.«
Rick ist sauer über meine Zögerlichkeit, ich kann ihn verstehen. Aber diesmal muss meine Vorgehensweise wasserdicht sein. Einen zweiten Fehler kann ich mir nicht leisten. Ich würde nur Kanters Anwälten in die Hände spielen.
»Semyoto hat die Bezahlung für das Cäsium entgegengenommen«, setzt Rick nach, als ich nicht reagiere. »Ich bin Zeuge. Storm ist Zeuge! Genügt das nicht, um Kanter auffliegen zu lassen?«
»Woher weißt du, dass er gerade im Edelweiß ist?«
»Daheim ist er nicht. Wo soll er sonst hin?«
»Du warst im Drachenpalast?« Einen Augenblick verschlägt es mir die Sprache. Der Wagemut des Jungen grenzt an Tollkühnheit, dennoch empfinde ich Hochachtung.
»Kanter packt«, sagt Rick ins Telefon. »Er will abhauen.«
»Wir kennen Kanters Abflugszeit. Er hat auf der Air France erster Klasse nach Paris gebucht. Ich habe Leute auf dem Flughafen. Dort fangen wir ihn ab.«
»Kanter wird seinen Plan ändern.« Die Stimme des Jungen klingt gehetzt. »Würde mich wundern, wenn er am JFK auftaucht.«
»Hör zu.« Ich versuche, ihn zu beruhigen. »Du hast die Würfel ins Rollen gebracht. Du hast etwas Unglaubliches geleistet, dafür danke ich dir. Jetzt lass uns das machen. Kanter muss gestellt werden. Die Indizien reichen aus, ihn festzusetzen. Unternimm nichts. Geh da nicht rein, geh nicht ins Edelweiß! Hörst du?«
Er hört. Aber er ist nicht meiner Meinung.
»Verstehe«, sagt er und hat im nächsten Moment aufgehängt. Ich bin sicher, Rick tut das Gegenteil von dem, was ich ihm rate. Und ich kann es nicht verhindern.
34
Zum ersten Mal entsichert Rick eine Waffe im Ernstfall. In Hoxhas
Weitere Kostenlose Bücher