Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
Wegrennen unmöglich. Rick versucht, an die Pistole zu kommen, Semyoto braucht den Bruchteil einer Sekunde, sie ihm zu entwinden. Semyoto schießt nicht, das Ding ist für ihn keine Waffe. Rick deckt sich, blockt ab, wendet sich hin und her und weiß zugleich, er ist dem Gewitter dieser Schläge nur noch kurz gewachsen. Hier trifft ihn die Handkante, da rammt sich das Knie in seine Flanke, er stöhnt.
Semyoto hält inne, der Meister hat den Schüler zur Schlachtbank geführt. »Du hättest gemacht Glück«, sagt er, sein Atem geht ruhig. »Alte Mann ist Vater für junge Mann. Man verrät nicht Vater.«
Semyoto holt aus. Rick schließt die Augen.
»Kanter war nie mein Vater«, antwortet er gepresst. »Ein Vater lässt seinen Sohn nicht foltern.« Mit dem Sprechen ist es vorbei. Der Meister muss den Schüler nun richten. Rick weiß nicht, wo der letzte Schlag ihn treffen wird.
Unnötiges Gerede hat schon manchem Kampf eine überraschende Wendung gegeben. Wäre Semyoto tatsächlich der weiseste aller Kämpfer, der Meister, der sämtliche Geheimnisse kennt, er hätte die Klappe gehalten und nicht mehr mit Rick gesprochen. Er hätte vielleicht auch darauf geachtet, dass Rick die Tür ins Edelweiß nur angelehnt hat.
Es ist eine ziemliche Strecke von der Upper Westside nach Alphabet City. Aber wenn man das Blaulicht einschaltet und die Sirenen auf Hochtouren laufen lässt, wenn man den Fuß auch bei Rot nicht vom Gas nimmt und die eine oder andere Schramme am Dienstfahrzeug hinnimmt, kann man den Weg bis zum Edelweiß in ein paar Minuten schaffen.
Selbst wenn ihr ein anderes Bild von mir habt, bin ich nicht der Abteilungsleiter, der einen jungen, tollkühnen
Agenten zum zweiten Mal in sein Verderben rennen lässt. Ich breche sämtliche Gesetze der Straßenverkehrsordnung, um rechtzeitig bei Rick zu sein. An der Kreuzung vor Kanters Hauptquartier schalte ich das Wuuiih ab, poltere mit den Reifen auf den Bordstein, halte schlingernd, springe mit einem Schwung raus, den man mir bei meinem Gewicht nicht zutrauen würde, und ziehe meine Fünfundvierziger aus dem Halfter. An der Schwelle stolpere ich, dass es mich fast auf die Fresse haut, halte mich am Türknauf fest, gewinne das Gleichgewicht wieder und bin im Edelweiß drin.
Ich kneife die Augen zusammen, um sie an das Schummerlicht zu gewöhnen. Hier ist keiner. Ich höre, draußen im Flur ist ein Kampf im Gang. Ich setze meine fassdicken Schenkel in Bewegung, renne zur Tür und begreife die Situation am anderen Ende des Korridors sofort. Hätte Semyoto gleich zugeschlagen, wäre es mit Rick vorbei. Aber der Meister muss noch einen dieser berühmten letzten Sätze sprechen und sagt: »Alte Mann ist Vater für junge Mann. Man verrät nicht Vater.«
Erstens ist das grässliche Grammatik, zweitens kostet es Zeit. Während Rick die Antwort gibt: »Ein Vater lässt seinen Sohn nicht foltern«, und so weiter, senke ich den Lauf meiner Waffe auf Semyoto. Ich habe es mit den Schießübungen in letzter Zeit nicht so genau genommen, ich bin aus der Übung. Meine Augen lassen erschreckend nach, ich bin außer
Atem. Die Distanz beträgt mindestens zehn Meter. Ich sehe Semyoto ausholen, erkenne, dass Rick sich in sein Schicksal fügt. Wenn nichts geschieht, ist Rick im nächsten Moment tot.
Ich drücke ab. Im Halbdunkel ist der Feuerstoß zu sehen. Die Kugel ist aus dem Lauf, sie dringt in Semyotos Hinterkopf ein und kommt eine Hundertstelsekunde später vorne wieder heraus. Bei einer Fünfundvierziger ist die Austrittswunde beachtlich. Das Blut färbt die Treppenstufen, die Wand und Rick, der vor Semyoto liegt, rot. Der Großmeister im Nahkampf sackt zusammen wie eine Comicfigur, kraftlos sinkt der Arm herab, der Rick den Garaus machen wollte. Der Halbasiate hat sein letztes Kauderwelsch abgelassen und fällt auf seinen verblüfften Schüler. Ich bin mit dem Schuss nicht unzufrieden, so einen Treffer soll mir mal einer in meinem Alter nachmachen. Die Waffe im Anschlag, schleiche ich näher und sehe, wie mein Agent sich unter dem mausetoten Semyoto hervorarbeitet. Aus dessen Kopfwunde sprudelt es wie aus einem Trinkbrunnen. Semyotos Gesicht wirkt missmutig, als ob er sich noch im Tod ärgern würde, Mist gebaut zu haben. Er hat seinen Schüler nicht fertiggemacht, hat Kanter den lästigen Jungen nicht vom Hals geschafft. Rick und ich können endlich zum Gegenschlag ausholen. Jetzt hat der alte Wolf nichts zu lachen, denn zum ersten Mal stehen unsere Chancen nicht
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