Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
Die
Menschen mit denen ich tagtäglich verkehrte waren mir fast alle bekannt, und
zwar aus meinen Geschichtsbüchern! Doch hier hatte ich mit ihnen in Fleisch und
Blut zu tun. Noch immer kam es nachts vor, dass ich aufwachte und mich in einem
Traum wähnte, wenn ich aber dann das Rascheln in den Binsen hörte, war mir
sofort wieder klar, dass das alles echt und ich tatsächlich in der
Vergangenheit war.
„Wie
gefiel Euch die heutige Vorführung?“ Aufmerksam studierte er mein Gesicht.
„Wenn
Ihr es keinem verratet, dann will ich Euch die Wahrheit sagen. Ich fand es
grauenhaft, nahezu lächerlich, auch wenn es extra für die Königin aufgeführt
wurde.“ Raleigh schmunzelte bei meinen Worten, beugte sich zur mir hinüber und
flüsterte mir zu:
“Ich
fand es ebenfalls schrecklich. Wie gut, dass es doch noch jemanden mit Verstand
in diesem Tollhaus gibt.“ Wie ich schon bei anderen Gelegenheiten festgestellt
hatte, konnte Raleigh erstaunlich offen und ehrlich sein. Für mich war es ein
Zeichen dafür, dass er mir vertraute.
„Walter
mein Bester, wie kommt es, dass du die schönen Frauen ganz für dich
beanspruchst?“, wurden wir plötzlich von einem Neuankömmling unterbrochen. Der
Mann war mir bisher bei Hofe noch nicht begegnet, schien aber aufgrund seiner
vertraulichen Anrede bestens mit Raleigh bekannt zu sein.
„Francis,
was führt dich denn an den Hof? Hast du genug vom Leben auf dem Lande?“,
begrüßte er den mir Unbekannten.
„Die
Politik, mein Lieber, die Politik hat mich hierher gebracht. Sag, magst du mir deine
Begleitung nicht vorstellen?“ Er musterte mich offen von oben bis unten, was
mir das Gefühl gab ein Stück Vieh auf dem Markt zu sein. Wie du mir, so ich
dir, dachte ich und tat es ihm nach. Er schien um einige Jahre älter als
Raleigh zu sein, wenn man nach seinem wettergegerbten Gesicht gehen konnte.
Seine Kleidung ließ darauf schließen, dass er entweder von Adel war oder aber
über genügend Geld verfügte, um die Strafen des Luxusgesetzes ohne zu zögern
zahlen konnte. Durch die viele Zeit, die ich mit Raleigh verbrachte, hatte ich
vergessen, dass Menschen meiner und Raleighs Größe nicht dem Durchschnitt
dieser Zeit entsprachen und so war dieser Francis im Vergleich zu mir eher ein
Winzling, der zu mir aufsehen musste. Dennoch war sein Äußeres nicht unangenehm
und auch sein Blick war nicht unverschämt, sondern eher bewundernd.
„Verzeiht
mein Freund. Bei der Dame an meiner Seite handelt sich um Lady van Simon. Eine
Witwe aus den Niederlanden, die sich momentan mit ihrem Bruder bei Hofe
aufhält. Lady Laura, darf ich Euch Sir Francis Drake vorstellen, ein entfernter
Cousin von mir“, übernahm Raleigh die Vorstellung. Innerlich jubelte ich bei
diesen Worten, denn bedeutete die Ankunft Drakes doch, dass wir langsam aber
sicher Fortschritte machten. Wir murmelten die üblichen Höflichkeiten, die bei
einer neuen Bekanntschaft gemacht wurden, und plauderten eine Weile zusammen.
Drake war ein netter Mensch, nicht so sympathisch wie Raleigh, aber dennoch
sehr unterhaltsam und zuvorkommend. Er fragte mich über meine Heimat aus und ob
die derzeitige Situation mich nach England verschlagen hätte.
„Unter
anderem Sir. Die Lage in meiner Heimat ist für einen Protestanten keine
leichte, nicht solange die Niederlande ein Teil Spaniens sind. Aber Ihr wisst
vermutlich, wie es ist, wenn man seinen Glauben im eigenen Lande nicht ausleben
darf.“ Ich spielte damit auf die Zeit von Elizabeths Vorgängerin, ihrer
Schwester Mary, an. Die Familien Drake und Raleigh waren überzeugte
Protestanten und hatten mit Mühe die Zeit unter Mary überlebt. Von daher hegten
sie den Katholiken gegenüber großen Argwohn und waren auch nicht sonderlich gut
auf sie zu sprechen. Ich hatte in dieser Zeit bereits so vielen Gottesdiensten
beigewohnt, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Die Religion spielte, trotz der
vielen Unterhaltungen, die bei Hofe geboten wurden, immer noch eine große
Rolle. Etwas das mir sehr schwerfiel, mich daran zu gewöhnen. Mir war das alles
sehr suspekt, da ich nicht besonders religiös war, beziehungsweise noch nicht
mal sicher, ob ich überhaupt gläubig war. Von daher tat ich mich schwer damit
zu verstehen, warum es durch die Geschichte hinweg bis heute Menschen gab, die
bereit waren, für ihren Glauben ihr Leben zu opfern.
„Es
wäre jedoch ein Verlust für uns, wenn ihr uns wieder verließet. So sehr ich die
Sache der Niederlande unterstütze, für England und vor
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