Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
ich machte mir Gedanken, ob er mir nicht vielleicht doch
den Laufpass geben wollte. Vielleicht hatte er einen Anpfiff der Königin
erhalten und beschlossen, dass es wohl besser sei, sich nicht weiterhin mit mir
zu beschäftigen. All diese Gedanken strömten durch meinen Kopf, als wir uns
unseren Weg durch die vielen Gänge des Whitehall-Palastes bahnten.
Er
ging mir voraus und ich folgte ihm unauffällig in einen der zahlreichen
Nebenräume des Schlosses. Einzig ein paar Kerzen und der Feuerschein des
brennenden Kamins erleuchteten den Raum. Es schien, als hätte Walter dafür
Sorge getragen, dass der Raum vorbereitet war. Denn Elizabeth gab in ihrem
eigenen Schloss nur das Mindeste aus und einen Raum zu heizen und zu
beleuchten, wenn sich niemand darin aufhielt, passte nicht in das Konzept der
ansonsten sehr sparsamen Königin.
„Haben
wir das Euch zu verdanken?“, fragte ich meinen Begleiter mit einer Handbewegung
in Richtung des Kamins, während ich mich unauffällig im Raum umsah. Erleichtert
nahm ich zur Kenntnis, dass hier kein Bett oder Ähnliches zu finden war, was
man für ein Schäferstündchen hätte gebrauchen können. Er schien tatsächlich nur
mit mir reden zu wollen und erwartete keinerlei Gefälligkeiten meinerseits, was
mich sehr beruhigte. Ich mochte Raleigh wirklich, aber wäre ich bereit so weit
zu gehen, um an unser Ziel zu kommen? Eine innere Stimme rief mir ganz laut zu,
dass ich für so etwas einfach nicht der Typ war. Auch wenn wir im Vorfeld nicht
über diese Möglichkeit gesprochen hatten, glaubte ich nicht, dass Richard und
Phil so etwas von mir erwarteten.
„Euch
kann man nichts vormachen. Vielleicht fühle ich mich deshalb so sehr zu euch
hingezogen. Ihr seid nicht nur hübsch, sondern auch sehr klug. Ich wollte Euch
dieses hier geben, ohne dass der halbe Hof es mitbekommt und sich alle das Maul
zerreißen!“ Voller Interesse betrachtete ich, wie er etwas aus seinem Wams
hervorholte und es mir reichte.
„Wollt
ihr mein Valentin sein?“ Mit diesen Worten überreichter er mir ein kleines
Säckchen aus rotem Samt, das mit einer Schnur zugezogen war. Neugierig nahm ich
es entgegen, zog die Schnur auf und griff mit der Hand hinein. Meine Finger
trafen auf kaltes Metall. Vorsichtig zog ich den Inhalt hervor und holte tief
Luft, als ich sah, was ich da in der Hand hielt. Vor meinen Augen baumelte eine
goldene Kette, deren Glieder in regelmäßiger Reihe von in Gold eingefassten
Rubinen unterbrochen wurden. Diese Kette musste ein Vermögen wert sein und er
schenkte sie mir! Mir, die ich ansonsten fast immer nur Modeschmuck trug.
Sicherlich hatte ich solche Ketten schon bei Juwelieren im Schaufenster
gesehen. Und zwar hauptsächlich bei solchen Läden, bei denen keine Preise neben
der ausgestellten Ware standen und die Scheiben aus dickem Panzerglas waren.
Und nun stand ich hier mit einem kleinen Vermögen in meiner Hand. Vermutlich
war die Kette so viel wert wie mein kleiner Corsa, wenn nicht noch mehr.
„Sir,
das kann ich nicht annehmen“, hob ich protestierend an, doch ich kam nicht
weiter, denn er kam mir näher und küsste mich. Er küsste nicht schlecht, nur
war Raleigh leider nicht Phil. Phil, er war nicht Phil? Mit Schrecken verstand
ich, was geschehen war. Ich war über beide Ohren in Phil verliebt, und zwar
schon die ganze Zeit, ich hatte es mir nur nicht eingestehen wollen. Immer
wieder hatte ich versucht, meine Anziehung zu ihm und meine Reaktion auf ihn
herunterzuspielen. Aber es gab nichts daran zu rütteln, ich hatte das Dümmste
getan, was ich tun konnte und mich in meinen Kollegen, schlimmer noch, in
meinen Partner, verliebt. Ich versuchte mich von Raleigh zu lösen, aber er
hielt mich fest und ging gerade vom Lippenkontakt zum Zungenkontakt über. Hatte
ich mir vielleicht noch vor ein paar Tagen die Frage gestellt, wie es sein
mochte ihn zu küssen, so hatte ich jetzt nur noch den Wunsch, dass es bald
enden möge. Vor meinem inneren Auge tanzten Bilder von Phil, wie er mich
gestern angesehen hatte, wie er mich bei unserer ersten Reise geküsst hatte und
noch viele andere Szenen. Eine wahre Bilderflut strömte auf mich ein und ich
konnte sie nicht verdrängen. Es war, als wäre Phil überall.
„Was
geht hier vor?“, ertönte eine wütende Stimme wie aus dem Nichts und der Kuss
endete abrupt.
25.
Kapitel
Jäh
öffnete ich meine Augen und sah einen vor Wut tobenden Phil, der Raleigh fest
am Arm hielt und von mir wegzog.
„Sir,
lasst mich Euch
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