Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
warf ich noch einen
letzten Blick auf Richard, der nur die Augen verdrehte. Immer noch stumm stand
Phil am Aufzug, wartete jedoch großzügigerweise auf mich, bevor er uns ein paar
Etagen tiefer schickte. Das konnte wirklich heiter werden, wie hatte Richard
sich das mit meiner Ausbildung gedacht? Dass ich alles durch Gedankenlesen
lernen sollte? Dumm nur, dass ich bei diesem Fach in der Schule anscheinend
immer gefehlt hatte.
Die
Kleiderkammer erwies sich als eine Art großer Theaterfundus, überall hingen
Kostüme ordentlich nach den einzelnen Epochen sortiert. Und fast nur
Männerkleidung, nur vereinzelt konnte ich Frauenkleider entdecken.
„He
Tom, wo bist du? Du hast Kundschaft!“, rief Phil in den scheinbar leeren Raum
hinein. Ein attraktiver Mann im schwarzen Rollkragenpullover und schwarzer Hose
kam aus einer Ecke des Raums hervor.
„Phil,
du weißt, wo deine Kleider sind, also hör auf mich zu nerven“, lautete die
Begrüßung, die eher scherzhaft als bösartig klang.
„Nicht
für mich, für unseren Neuzugang“, erwiderte Phil mit spöttischem Tonfall.
Sofort richtete dieser Tom seine ganze Aufmerksamkeit auf mich.
„Das
ist natürlich etwas anderes. Hallo, ich bin Tom und du?“, fragte er freundlich
und streckte mir die rechte Hand zur Begrüßung entgegen, die ich ergriff und
schüttelte.
„Laura!
Freut mich dich kennenzulernen!“
„Die
Freude ist ganz auf meiner Seite!“ Er musterte mich von oben bis unten,
wahrscheinlich nahm er schon mit seinen Augen Maß. Seinen Worten nach schien er
der Schneider und Herrscher dieses Kleiderreiches zu sein. „Dann wollen wir mal
loslegen“, fuhr er fort und wies mir den Weg zu einem Nebenraum.
„Äh
Tom, wo ist denn deine reizende Assistentin? Meinst du nicht, sie sollte Lauras
Maße nehmen?“, mischte Phil sich plötzlich ein und ließ uns innehalten.
„Hat
die Grippe, da werde ich wohl leider ran müssen!“ Sein Gesicht ließ jedoch
keinen Ausdruck des Bedauerns erkennen, eher so, als freute er sich. Sollte das
hier etwa eines der seltenen heterosexuellen Exemplare eines Schneiders sein?
Wenn man sich die Menge an männlichen Kostümen ansah, die hier rumhingen, wäre
ich dann für ihn sicherlich eine willkommene Abwechslung. Der Nebenraum, in den
er mich führte, stellte sich als Schneideratelier heraus.
„Zieh
dich bitte aus!“, forderte er mich auf. Wie bitte? Nur weil er nicht schwul
war, hieß es doch nicht, dass er eine schnelle Nummer mit mir schieben konnte.
Wer war ich denn? Tom bemerkte meinen entsetzten Gesichtsausdruck und lachte.
„So
habe ich das doch nicht gemeint! Lass deine Wäsche an, ich will nur schnell Maß
nehmen, ist ganz schnell vorbei. Und wenn du dich schämst, stell dir vor, ich
wäre dein Arzt!“ Mein Arzt sah garantiert nicht aus, wie diese jüngere Variante
von Richard Gere, aber das konnte ich ihm schlecht sagen, wer weiß, ob ihn das
nicht doch auf dumme Gedanken gebracht hätte. Ich entledigte mich also schnell
meiner Oberbekleidung und stand mit leicht gerötetem Kopf in meiner
Unterwäsche, vor ihm. Hätte ich gewusst, was mir blühte, hätte ich mir beim
Anziehen am Morgen definitiv mehr Mühe mit meiner Unterwäsche gegeben. So stand
ich nun leider in einer Unterhose vor ihm, die meine Oma als vernünftig
bezeichnet hätte, aber weit entfernt von reizvoll war und einem schlichten,
gräulich-weißen BH vor ihm. Er schmunzelte, als er diese modernen
Keuschheitsgürtel sah, ließ aber dankbarerweise keinen Kommentar dazu ab.
Schnell nahm er an allen möglichen Ecken meines Körpers Maß und notierte das
auf einem bereitliegenden Zettel.
„Siehst
du, hat nicht wehgetan. Du kannst dich wieder anziehen, ich warte draußen auf
dich!“ Rasch schlüpfte ich in meine Kleider und folgte ihm nach draußen.
„Was
immer ihr braucht, ich glaube nicht, dass wir viel auf Vorrat haben. Wo soll
sie hin?“
„Wir
brauchen alles“, lautete Phils schlichte Antwort.
„Was
meinst du mit alles?“
„Spreche
ich chinesisch? Wenn ich alles sage, meine ich alles! Richard will sie zu
meiner Partnerin machen und sie wird daher den gleichen Satz Kleider brauchen,
den ich auch habe!“ Tom fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, grau
meliertes Haar, dabei seufzte er:
„Das
wird Wochen dauern. Ich werde sogar ein paar Aufträge nach draußen vergeben
müssen. Wann braucht ihr die Sachen?“
„Sprich
mit Richard darüber, ich bin nur ihr Aufpasser!“
Langsam
nervte es mich wirklich, dass er von mir sprach,
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