Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
meinem Spezialgebiet. Die paar
Stunden, die ich bei Phil hatte, machten mich gewiss nicht zur Dancing Queen.
Ich schickte ein kurzes Stoßgebet gen Himmel, dass ich mich nicht allzu sehr
blamierte. Von einer adeligen Dame erwartete man, dass sie tanzen konnte, alles
andere stempelte sie zum Bauerntrampel ab. Was hatte ich mir da nur wieder selbst
eingebrockt? Da musste ich jetzt wohl oder übel durch, egal wie es ausging.
Im
Inneren suchte ich den Saal nach Phil ab, irgendetwas in mir wollte
sichergehen, dass er nicht zusammen mit der unbekannten Schönen den Ball
vorzeitig verlassen hatte. In einer Ecke des Raumes, inmitten einer
Männergruppe, entdeckte ich ihn schließlich. Er schien sich angeregt zu
unterhalten. Ein Stein fiel mir von Herzen, er war doch nicht mit der Schönen
verschwunden. Meine Gefühle und wie es mir ergangen wäre, wenn er verschwunden
wäre, wollte ich nicht näher untersuchen, zumal ich meine gesamte
Aufmerksamkeit dem Tanz widmen musste.
Raleigh
und ich mischten uns unter die Tänzer, die gerade dabei waren eine Gaillarde zu
tanzen. Keiner der leichteren Tänze, aber doch noch eine lösbare Aufgabe für
mich. Es hätte schlimmer kommen können.
„Wie
gefällt Euch unser Land?“, begann Raleigh, nachdem wir unsere Positionen
eingenommen und zu tanzen begonnen hatten. Hoffentlich würde ich ihm jetzt
nicht auf die Füße treten, wenn ich mich aufs Antworten und nicht mehr aufs
Tanzen konzentrierte, so war es mir nämlich in der Tanzschule immer ergangen.
„Es
ist anders als meine Heimat, soviel kann ich schon sagen. Das Wetter ist noch
unbeständiger, als ich es von zu Hause gewohnt bin“, erwiderte ich. Kaum hatte
ich es gesagt, schon schimpfte ich mich selbst. Wie konnte man nur so viel
Schwachsinn reden? Das war doch nicht ich? Aber andererseits war er ein gut
aussehender Mann und da schlug mein altbekanntes Handicap wieder zu. Wenigstens
redete ich in ganzen Sätzen, das war immerhin etwas.
„Ihr
wollt mir nicht sagen, dass Ihr nur wegen des Wetters hier seid, oder?“ Da war
jemand aber besonders neugierig. Ich konnte ihm aber auch schlecht sagen, dass
ich wegen ihm hier war, also musste ich mir etwas einfallen lassen.
„Mein
Bruder ist im Auftrag seines Dienstherrn, Wilhelm von Oranien, nach England
gereist. Irgendeine diplomatische Angelegenheit, die es zu klären gilt. Ich
verstehe nicht viel von diesen Dingen. Für mich war es eine willkommene Abwechslung
nach Ende meines Trauerjahres etwas Neues kennenzulernen, deshalb bin ich
mitgekommen.“
„Ihr
seid verwitwet?“ Seine Stimme hatte einen interessierten Ton angenommen. Und
schon wieder hatte ich einen Fisch mehr an der Angel, aber diesen hatte ich auch
fangen wollen.
„Mein
Gatte ist im letzten Jahr von uns gegangen. Er war nicht mehr der Jüngste,
müsst Ihr wissen!“ Oh Mann, ich musste mich echt zusammenreißen, dass ich nicht
noch dicker auftrug. Fehlte nur noch, dass ich von den armen Kleinen erzählte,
die ich nun nicht mehr auf die Welt hatte bringen können, da mir das Schicksal
so übel mitgespielt hatte.
„Das
heißt, dass Ihr frei seid?“ Raleighs hoffnungsvoller Tonfall gab mir die
Genugtuung, dass ich ein Teilziel meines Plans bereits erreicht hatte. Nun
musste ich ihn nur mit meinem, ähem, Charme und Witz verzaubern, damit er sich
weiter mit mir anfreundete.
Gerade
als ich feststellte, dass das Tanzen gar nicht so schwer war, wie ich
befürchtet hatte, erhob sich die Königin von ihrem Sitz und rief die Volta aus.
Jener Tanz, den ich mit Phil getanzt hatte und der uns völlig aus dem Takt
gebracht hatte. Das durfte mir mit Raleigh vor den Augen des gesamten Hofstaats
unter keinen Umständen passieren. Es war der Lieblingstanz der Königin, und
wenn sie ihn auch nicht mehr selbst so häufig tanzte wie in ihrer Jugend, so
sah sie den Tänzern doch noch selbst gerne zu. Der Tanz galt als unanständig,
da der Mann die Frau an der Taille berührte und sie in der Drehung hochhob und
man zusätzlich die Unterröcke der Damen sehen konnte. Skandalös! Ich stellte
mir vor, welchen Schock jemand erleben würde, der aus der Vergangenheit in
unsere Zeit kam. Man hätte es wahrscheinlich für einen regelrechten Sündenpfuhl
gehalten und geglaubt, man sei direkt in der Hölle gelandet.
Raleigh
hob mich gerade zur ersten Hebefigur an, da sah ich, dass Phil plötzlich am
Rand stand und uns genau beobachtete. Sein Gesicht wirkte eisig. Was hatte ich
denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Den falschen Schritt
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