Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
philosophischer Rhetorik wirkt. Kosmos bedeutet Welt und Schmuck, sein Schöpfer Demiurgos ist ein künstlerisch bildender Werkmeister.
Einstweilen haben wir vernommen, wie Einstein den Zweck der Wissenschaft auffaßt, als deren alleiniges Ziel er die Wahrheit bezeichnet. Für ihn ist diese ein Absolutes an sich, dem wir uns so sicher nähern, wie es unmöglich ist, durch etwaige ethische Entdeckungen irgend etwas wissenschaftlich Brauchbares zu erreichen. Denn die Ethik ist ein Feld, auf dem die Begriffsgespenster geistern, und die Behandlung »ordine geometrico«, die Spinoza auf sie anwenden wollte, bleibt der Physik vorbehalten. Die philosophische Querfrage, »ist die Wahrheit an sich nicht auch nur ein Vorgestelltes?« überläßt Einstein denen zur Erörterung, die ein Vergnügen darin finden, niemals schließbare Denkzirkel abzustreifen, während er gradlinig fortschreitet, getragen von dem Bewußtsein: mag auch das Ziel nicht zu gewinnen sein, – die Richtung dahin ist nicht mehr zu verlieren!
Hauptlinien und Nebenwege
Praktische Ziele der Wissenschaft. – Reine Wahrheits-Erforschung. – Rückblickende Betrachtungen. – Kepler als Praktiker. – Ein Ausspruch Kants. – Mathematik als Wahrheitsprobe. – Deduktive und induktive Methode. – Kennen und Erkennen. – Glücksgefühl und theoretische Genüsse. – Wissenschaftstat und Kunstwerk. – Ethische Wirkungen. – Kleine Anfragen.
I.
Wieder einmal wurde das große Thema angeschlagen: Kann oder soll die theoretische Wissenschaft auch praktische Ziele haben?
Die Bedeutung der Frage ist unmöglich zu überschätzen. Sie umlauert uns täglich und reckt sich im Gesichtskreis der Menschheit oft genug zu bedrohlicher Höhe empor. Habet acht, wie sich die Rede der Gebildeten gestaltet, wenn die feinsten und sublimsten Geistestaten erörtert werden: Man spricht von den Wundern der Erforschung auf den entlegensten Gebieten der Astronomie, wo sie die Strukturen weltenweiter Sternsysteme ergründet; von Gedankenoperationen, die darauf hinzielen, aus dem Urchaos vor Ewigkeiten die Gestaltung der Universen kosmogonisch abzuleiten; man spricht von erhabenen Wissenschaften, von der Funktionen- und Zahlentheorie, deren Begründer und Vertreter ebenso Staunenswertes in der Aufstellung wie in der Lösung abgründiger Probleme geleistet haben; und es kann nicht fehlen, daß die Querfrage dazwischen blitzt: Wozu dient das letzten Endes? Was macht man damit? Kann ein Selbstzweck der theoretischen Wissenschaft anerkannt werden, oder haben wir zum Mindesten die Hoffnung aufrechtzuerhalten, daß sie uns über kurz oder lang einmal einen greifbaren, in Lebenswerten ausdrückbaren »Nutzen« bringen werde?
Und wie die reinen Kunstbekenner das Wort geprägt haben, »l'art pour l'art«, so ruft auch Einstein den unbedingten Selbstzweck aus: »die Wissenschaft für die Wissenschaft«! Sie trägt ihre Ziele absolut in sich und darf sich in ihren Hauptlinien durch keinen anderen Zweck abdrängen lassen. »Es ist meine innere Überzeugung,« so betonte er, »daß die Entwickelung derWissenschaften sich in der Hauptsache auf die Bedürfnisse der reinen Erkenntnis gründet, wie sie in psychologischer Hinsicht als religiöse Bedürfnisse sich geltend machen.«
Ihnen selbst, Herr Professor, erscheint also die Praxis daneben bedeutungslos?
»Das habe ich nicht gesagt, und es lag auch nicht im Sinn der Frage. Wir müssen deren Prämisse festhalten: So lange ich mich auf Linien der Erforschung bewege – dies war die Voraussetzung – ist mir die Praxis, also jedes praktische Ergebnis, das sich nebenher oder künftig möglicherweise daran knüpfen könnte, vollkommen gleichgültig .«
Es liegt mir fern, auch nur in Gedanken an dieses Grundbekenntnis rühren zu wollen, zumal es ja im Munde eines Wahrheitsfinders mit dem Klange der Evidenz auftritt. Mich beunruhigt es nur, daß sich neuerdings Stimmen geltend machen, die von der Wissenschaft eine andere Grundrichtung fordern. Und das sind nicht nur Stimmen aus der großen Menge, sondern aus akademischen Kreisen. So las ich erst kürzlich die Ausführungen eines namhaften Gelehrten, des Naturwissenschaftlers W. Wien, der recht energisch gegen die Alleingültigkeit der rein wissenschaftlichen Ziele polemisierte. Professor Wien wandte sich besonders gegen deutsche Physiker, mit dem Vorwurf, daß sie die praktische Technik unterschätzen und es als ein »Heruntersteigen« ansehen, wenn ein Physiker in die Praxis geht.
– »Ich weiß
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