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Einundzwanzigster Juli

Titel: Einundzwanzigster Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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heller Gemeinschaftsraum mit mehreren Tischen, Stühlen und einem Ofen. Das Murmeln schwillt an.
    Richtige Betten! Und wir dürfen unsere eigenen Kleider tragen! Sogar ein Radio kriegen wir, hat er gesagt! Bücher aus der Lagerbibliothek!
    Es sind Toiletten und nicht bloß ein Kübel!
    Und ich dachte, KZ wäre das Ende!
    »Schauen wir doch mal nach, wie viele Betten es gibt«, übernimmt Onkel Teddy das Kommando und die kleinen Gruppen, die sich in Reinerz gebildet hatten, finden gleich wieder zusammen, als es darum geht, Schlafräume zu belegen.
    »Fritzi«, Mutter nimmt mich beiseite, »was hältst du von getrennten Zimmern? Ich glaube, es täte uns beiden ganz gut ...« Ich sehe sie perplex an.
    »Ich liebe dich deshalb nicht ein Fünkchen weniger«, fügt sie schlicht hinzu und sofort weiß ich, dass sie mit ihrem Vorschlag Recht hat, und wie viel Überwindung es sie gekostet haben muss, mich zu fragen. Die anderen Mütter werden es sicher nicht verstehen, sie werden ihr Vorwürfe machen.
    Ich kann nicht antworten, also gebe ich ihr einfach einen Kuss. Dann frage ich Nanni, Ina und Fey, ob ich in ihr Zimmer kommen darf.
    »Endlich verstehe ich, warum wir in dem Hotel waren«, sagt Julius später zu mir. »Die ganze Zeit haben wir, ohne es zu wissen, darauf gewartet, dass diese Baracke fertig wird.«
    »Ihr müsst die Baracke selber putzen, morgens um acht ist Kontrolle. Ihr bekommt Lebensmittel und müsst euch selbst bekochen. Ihr müsst Wäsche waschen, ausbessern und Holz hacken.« Der Kommandant sagte dies in barschem Ton – als wäre es eine Strafe, nach Monaten erzwungener Untätigkeit endlich wieder selbst zuständig zu sein!
    Durch die dünne Bretterwand unserer Stube klingt, während wir noch auspacken, das Geräusch einer Axt, die durch Holzscheite fährt – es ist ein lustvoller Klang. Spontan klettere ich von der oberen Hälfte des Etagenbettes, das ich mit Ina teile, und gehe nachsehen.
    Auf einem schmalen Streifen Hof zwischen dem Zaun und dem rückwärtigen Teil der Baracke haben sie Holz für uns abgeladen. »Ziemlich feucht, das Ganze«, meint Max und nimmt Schwung mit der Axt, »aber es wird schon brennen.«
    Ich sehe ihm an, wie müde er ist, aber auch wie froh, etwas tun zu können. Die Holzscheite fallen rechts und links vom Block, ich bücke mich, um sie aufzuheben und an der Barackenwand zu stapeln, aber langsam, ganz langsam; vor meinen Augen flirrt es, wenn ich mich zu schnell bewege, und das eine Ende meines übergeworfenen Schals rutscht immer wieder von der Schulter auf den Boden, der bretthart ist von Frost.
    Einige Meter entfernt liegt ein armdicker Ast, wohl beim Transport vom Karren gefallen, und minutenlang kann ich die Augen kaum abwenden und kämpfe mit mir, ob ich die zusätzliche Anstrengung auf mich nehmen soll, ihn zu holen. Es ist ja genügend Holz da, zumindest für heute ... aber wer weiß, ob sie wie versprochen neues bringen, und bis morgen könnte der Ast, ungeschützt, wie er dort liegt, noch feuchter und womöglich unbrauchbar werden ... ja, vielleicht ist es gerade dieser Ast, der uns fehlen wird, der uns die zusätzliche halbe Stunde warm gehalten hätte, in der wir auf Nachschub warten!
    Nein, ich halte es nicht aus, den Ast dort liegen zu sehen, gleich neben dem Zaun, es sind ja nur wenige Schritte! Und während ich mich danach bücke, höre ich hinter der Bretterwand plötzlich Stimmen in einer fremden Sprache.
    Sofort, ohne nachzudenken, trete ich näher. In einem Bretterzaun muss es doch irgendwo ein Loch oder einen Spalt ...
    »WEG DA VOM ZAUN!«
    Eine scharfe Stimme springt mich an, eine Stimme, die von überall her kommt und wie Donnerhall auf die Erde schlägt. Holzscheite fliegen aus meinem Arm, als ich einen meterweiten Satz rückwärts tue. Der Wachposten auf dem Turm zu unserer Rechten hat ein Megafon vor dem Gesicht und ich stolpere, krieche und falle hastig zurück zur Baracke, aus lauter Angst, er könne ein zweites Mal hineinbrüllen.
    Max lässt die Axt in den Block krachen, dreht sich zum Posten und holt Luft, überstürzt gehe ich dazwischen: »Nicht! Still! Es war doch meine Schuld!«
    Und die Holzscheite verloren habe ich auch. Erschrocken sehe ich sie auf meinem Fluchtweg verstreut. Vier Stück ... nein, das geht nicht! Die Augen unverwandt auf den Posten gerichtet, der das Megafon senkt und argwöhnisch zusieht, gehe ich Schritt für Schritt von Neuem los, bücke mich nach dem ersten Holzscheit, dem zweiten, zum Schluss nach dem Ast. Es

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