Einzelkaempfer
schätze ich, und der Panzerschrank steckt in einem Smoking. Eine Abendgesellschaft, danke Kalle, wäre ich ohne deine Hilfe nicht drauf gekommen. Mit meinen grünen Gummi-Clogs wirke ich irgendwie unpassend in dem Ambiente polierter, antiker Möbel und spiegelblanker Marmorböden. Ole bedeutet mir, ihm zu folgen. Für seine Ausmaße behände und schnell bewegt er sich die Treppe hinauf auf eine Galerie, ich muss mich beeilen dranzubleiben. Am Ende des Ganges, dessen Wände von farbenfrohen Gemälden in prächtigen Rahmen geziert werden, stößt er eine Tür auf. Ein begehbarer Kleiderschrank und ein Toilettentisch nebst Waschbecken mit goldenen Armaturen und Rasierzeug. »De baard moet af«, sagt er und schiebt mich zum Spiegel. Die Frage meines Stylings wäre also beantwortet, war ich bislang unsicher, ob ich das Gewächs im Gesicht behalten sollte. Na ja, es wird ja bald Frühling.
Ole kramt eine Schere hervor und zunächst schneide ich die Fransen soweit herunter, dass Aussichten bestehen, das Gestrüpp mit dem Rasiermesser zu erledigen. Nach einigen Minuten bin ich nackt im Gesicht. Befremdlich, doch irgendwie komme ich mir bekannt vor. Hallo Heiner, da bist du wieder. Ole greift sich die Schere und will sich an meinem Zopf zu schaffen machen. NEIN! Mein Ruf lässt Hanna im Spiegel erscheinen. Sie tuschelt eine Weile mit Ole, wie Eltern eines ungezogenen Kindes, die sich über die zu ergreifende nächste Maßnahme konspirieren. Hanna wirft mir währenddessen einige Kleidungsstücke hin. Eine schwarze Bundfaltenhose, ein weißes gestärktes Hemd, eine Fliege und ein komisches glänzendes schwarzes Tuch. Was ich wohl damit soll? Erhängen, meint der Advokat zynisch. Eine neue Seite an dem sonst so Gemäßigten. Die Eltern sind sich einig, ich darf den Zopf behalten, muss allerdings eine ordentliche Portion Haarwachs ertragen. ›Oh, Junge‹, ich höre die Bestürzung der Achenbachoma ob meines Antlitzes nach der Schlägerei auf der Kirmes, Lippen wie Currywürste, halb abgerissenes Ohrläppchen, Augen wie ein Schwergewichtsboxer nach einer herben Niederlage. Was so ein bisschen Haarschmiere anrichten kann. Ich fühle mich entstellt. Meine üppiger Kopfbewuchs ist straff zurückgekämmt, ein Gummi drum, viel zu fest, es ziept, und schon sehe ich aus wie ein halbgarer Kellner in einem dubiosen Etablissement. Du bist ein halbgarer Kellner. Nein, ein Barmann. Ich soll hinter der Bar arbeiten und dem Barkeeper zur Hand gehen. Was wohl bedeutet, Flaschen tragen, Gläser spülen. Spülen kann ich, was mich an den falschen Hasen erinnert, dem ich den Mummenschanz zu verdanken habe. Mein Kopfschmuck glänzt mit dem komischen Tuch um die Wette. Eine Bauchbinde, werde ich belehrt und mit einigen Griffen hat sie mich um die Mitte eingewickelt. Hanna sieht bezaubernd aus in dem dunkelgrünen engen Kleid, das fast bis zum Boden reicht, ihre rötlichen Haare leuchten. Ihre Lippen schimmern. Lippgloss. Sie bewegt sich in der Villa wie die Hausherrin. Es läutet. Alles auf die Plätze.
Ich werde hinunter hinter die Bar gescheucht, die sich in einer abgedunkelten Nische des Zimmers, was sag ich Zimmer, nein es ähnelt mehr einem Ballsaal, befindet. Mike heißt der Barkeeper, der sich mir mit einem freundlichen Nicken vorstellt. Carlos, stellt Hanna mich vor und erläutert, dass ich Argentinier bin, der kein Wort ihrer Sprache verstehe. So bin ich von Konversation entbunden. Ich soll die Klappe halten, raunt sie mir zu. Sieht eh besser aus, fügt Kalle frech an. Ihr Atem riecht wie frische Limonen und ihr Parfüm beinhaltet anregende Lockstoffe, bestimmt mit Absicht. Kein Wunder dass Frauen bei Männern das Denken zwischen den Beinen ansiedeln, wenn sie Düfte auflegen, die wie chemische Kampfstoffe wirken. Nuancen, die die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter, wie Dopamin und Noradrenalin fördern, die dann direkt in den subkortikalen Regionen des Temporallappens und des Zwischenhirns für Trouble sorgen, diverse überlegende Verbindungen verklumpen lassen oder lahm legen und gleichzeitig das Sexualverhalten steuern und Kopulation befehlen. Was soll Mann denn dann noch tun? Entspann dich Kumpel, meint Kalle. Gut gemeinter Rat eines Pubertierenden. Ja, da bin ich mir mittlerweile sicher. Kalle steckt mittendrin. Ich auch, irgendwie.
Mike schiebt mir einen Karton Gläser zu und drückt mir ein fusselfreies Tuch in die Hand. Polieren. Immer mehr Gäste strömen herein. Gut gekleidete Herren in perfekt sitzenden
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